Fuer immer mein - Mechthild Kaysers erster Fall
Polizeidienst einzutreten. Damals war es noch etwas Besonderes, bei der Kripo zu sein. Auch sie fiel auf die von oben vermittelte Klassentrennung zwischen uniformierten Polizisten und den „Kriminalisten“ herein und stolzierte mit den verordneten Würden herum. In der täglichen Arbeit hatte ihr das später allerdings nicht geholfen. Schon früh bemerkte sie, dass eine Trennung der Dienste in der Polizei nicht hilfreich, sondern hinderlich war. Ein elender Konkurrenzkampf zwischen den Sparten wurde so entfacht. Auch viele sogenannte Kriminalisten gaben ihrer Eitelkeit nach und pflegten ihr Image der wahren Verbrechensbekämpfer auf Kosten ihrer uniformierten Kollegen. Und das Fernsehen tat sein Teil vielfach dazu, indem es das Erscheinungsbild der kriminalistisch ermittelnden Kommissare und ihrer Handlanger aus der uniformierten Polizei verstärkte. Während des Radelns erinnerte Mechthild sich an den Regisseur Jürgen Roland, der in seinen Kriminalfilmen als Erster eine Lanze für die uniformierten Kollegen im Fernsehen brach.
Heute waren die Laufbahnen durchlässiger. Die ehemaligen Standesunterschiede hatten sich nahezu völlig aufgelöst. Man war eine Polizei geworden. Die politisch den Ton angebenden Sozialdemokraten hatten der Forderung der Gewerkschaft nachgegeben und den mittleren Dienst bei der Polizei abgeschafft. Beizeiten gab es nur noch den Ausbildungsweg über die Hochschule, und alle erfolgreichen Abgänger traten als Kommissare ihren Dienst an. In Uniform oder in Zivil.
Von ihrem Großvater wusste sie, dass in den zwanziger Jahren Hundertschaften der Polizei von sogenannten Hauptleuten geführt wurden. Als sie Kriminalkommissarin wurde, verneigte er sich ehrfurchtsvoll, als er ihr zur Beförderung gratulierte. In seinen Augen war sie nun etwas ganz Besonderes geworden. Später erfuhr sie, dass er in den Freikorps gedient und zu diesen Zeiten bestimmt nicht auf Seiten der demokratischen Kräfte gestanden hatte. Was er wohl getan hätte, als sie zur Kriminalrätin befördert worden war? Doch da war er schon Jahre verstorben, und ihre Oma hatte all das nie beeindruckt.
Alles war vorbereitet. Er hatte ein paar alte Eichenbalkenstücke auf die Ladefläche des Transporters gelegt. Er würde Elena erklären, dass er die alten Balken in Bretter sägen wolle, um daraus einen rustikalen Tisch für die geplante Terrasse zu bauen. Das würde ihr bestimmt gefallen. Er ging davon aus, dass Frauen zu einem ersten Rendezvous nicht gerne in einen kleinen Lkw einsteigen wollten, auch wenn er sich bei Elena vorstellen konnte, dass sie einen gebildeten Mann in Hemdsärmeln akzeptieren würde, der ihr damit vermittelte, dass er nicht nur intellektuell war, sondern wusste, wie man zuzupacken hatte. Irgendwie spürte er, dass sie etwas Bäuerliches hatte, dass sie vom Land kam. Er war nah an ihr dran. Er glaubte, sie zu kennen. Er fühlte seine Macht, die sich daraus ergab, dass er immer spürte, was andere wollten. Er hatte die Kontrolle.
Um kurz vor elf Uhr bog er in den Rembertiring ein. Zum einen wollte er die Umgebung erkunden. Und zum anderen wollte er sich vergewissern, dass Elena keine Zeugen mitgebracht hatte. Obwohl er sicher war, dass ihnen die Kenntnis seines Autokennzeichens niemals würde helfen können. Er hatte die Schilder aus der Garage einer betagten Dame gestohlen, die ihn vor Monaten kurz als Gärtner beschäftigt hatte. Sie kannte nicht mal seinen richtigen Namen. Er hatte sie an ihrem Gartenzaun angesprochen und seine Hilfe bei der Gartenarbeit angeboten. Anfangs hatte er noch gedacht, dass sie die Erste hätte sein können, aber er verwarf diesen Plan, da sie eindeutig zu alt für ihn war. Es musste schon alles stimmen.
Als er den Parkstreifen vor der Diskothek passierte, sah er sie schon. Nichts deutete darauf hin, dass Elena jemanden mitgebracht hatte. Sie trug ein rotgeblümtes Sommerkleid. Viel zu kalt für diese Jahreszeit, dachte er. Und sie hatte sich wahrlich herausgeputzt. Sie hatte etwas aus sich gemacht. Ihr Gesicht war deutlich geschminkt, und ihr Haar auffällig frisiert. Sie war in ihrer Aufmachung sicherlich auch schon anderen aufgefallen. Aber hier war Bahnhofsvorstadt. Da standen schon mal aufgetakelte Frauen an der Straße.
Er wusste nicht, ob sie ihn in seinem Transporter schon bemerkt hatte, fuhr aber trotzdem an ihr vorbei und bog rechts in die nächste Straße ein, um nach drei weiteren Schlenkern wieder zu ihr zu gelangen. Jetzt war er wirklich aufgeregt. Sie war schon
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