Fuer immer und einen Tag
ihn hineinzulassen. »Ich gewöhne mich allmählich daran, auf mich allein gestellt zu sein«, sagte sie und rührte mit dem Löffel in ihrem kalten Kaffee, als könnte sie ihn dadurch neu beleben. »Und ich merke, dass es so besser ist. Vielleicht bedeutet es eine zusätzliche Schwierigkeit für mein Schreiben, aber jede gute Geschichte braucht schlieÃlich einen Konflikt.«
Ben nahm ihr den Becher ab. »Soll ich dir einen frischen holen?«, fragte er. »Und dann kann ich dich vielleicht davon überzeugen, dass du nicht auf dich allein gestellt bist.«
Emma schüttelte ablehnend den Kopf. Die Luft fühlte sich plötzlich kühl an ihren glühenden Wangen an. Sie war so damit beschäftigt gewesen, nach Anzeichen von gegenseitigem Interesse zwischen Ben und Louise zu suchen, dass ihr erst jetzt der Verdacht kam, sein Interesse könnte sich schon die ganze Zeit auf jemand anderen gerichtet haben. »Und wieso bin ich das nicht?«, fragte sie und wagte einen zögerlichen Schritt auf unsicheres Terrain.
»Weil ich dein ständiger Begleiter bin«, sagte er langsam und deutlich, als würde er einem kleinen Kind etwas Kompliziertes erklären.
Emmas Wangen brannten, als sie sich in die Sicherheit ihrer Schachtel auf einem staubigen Regal des Ladenbesitzers zurückzog. »Ach, das hast du ja schön eingefädelt â du willst in meinem Buch vorkommen!«, sagte sie.
Ben lieà sich von dem Vorwurf nicht beirren, er strahlte sie an. »War mir noch gar nicht in den Sinn gekommen, aber jetzt, wo du es erwähnst â¦Â«
»⦠fändest du es gar nicht so übel?«, sagte sie lächelnd.
Sosehr er davon abzulenken versuchte, konnte er ihr doch nicht weismachen, dass er keine Hintergedanken gehabt hatte, als er ihr so bereitwillig seine Hilfe anbot. »Wenn du darauf bestehst«, sagte er mit falscher Bescheidenheit.
Emma lachte. Es war ein herrliches Gefühl zu lachen. Warum um alles in der Welt hatte sie überhaupt an so etwas wie eine Liebesromanze gedacht, wenn alles, was sie im Moment brauchte, ein Freund war, der sich zusammen mit ihr ins Abenteuer stürzte? »Mal sehen, vielleicht finde ich ja noch eine Rolle für dich, aber sei gewarnt: Man soll aufpassen, was man sich wünscht, es könnte in Erfüllung gehen.«
Es waren nur noch knapp zwei Wochen bis Weihnachten, aber Emma und Meg hatten zu viel mit Krankenhausterminen zu tun, um die Adventszeit überhaupt richtig wahrzunehmen. Diese Termine stellten unwillkommene Erinnerungen daran dar, dass Emma schwer krank war, und trugen nicht gerade dazu bei, sie aufzumuntern. Sie musste für die Maske vermessen werden, die ihren Kopf bei der für Januar angesetzten Strahlenbehandlung ruhig halten sollte, auch wenn Meg hartnäckig darauf bestand, dass solche Vorbereitungen nicht nötig seien, da sie fester denn je daran glaubte, irgendwo im Ausland eine Wunderheilmethode für ihre Tochter zu finden. Dann hatte Emma einen Termin, bei dem ihre Medikation von einem Assistenzarzt überprüft wurde, der vorschlug, die Steroideinnahme zu verringern. Die Dosierung der Anti-Epilepsie-Mittel wurde dagegen leicht erhöht, und sie war froh, nicht Dr. Spelling gegenübertreten zu müssen, der sicher aus ihr herausgekitzelt hätte, dass ihre Anfälle in letzter Zeit verstörender waren, als sie sich anmerken lieÃ. Sie waren anders als sämtliche, die sie zuvor gehabt hatte, und »anders« war nie ein gutes Zeichen. Doch solange die Ãrzte nichts davon wussten, konnte Emma sie ebenfalls ignorieren, und auÃerdem ging es ihr in manch anderer Hinsicht deutlich besser. Sie fühlte sich physisch stärker, wenn auch nicht psychisch, und hoffte darauf, dass das eine das andere ausgleichen würde.
Erst als Meg am Donnerstagmorgen endlich wieder in die Kanzlei ging, um Liegengebliebenes abzuarbeiten, war ihr ein wenig Freiheit vergönnt. Wie in der vergangenen Woche entschied sie sich für einen Ausflug ins Bistro, rief diesmal aber kein Taxi, sondern sammelte ihre Sachen, einschlieÃlich Laptop, zusammen und trat hinaus in den grauen, feuchten Dezembermorgen.
Als sie zu dem Geländer kam, das die Uferpromenade begrenzte, ging die feuchte Luft in einen steten Nieselregen über, und winterliche Windböen wehten zusätzliche Tröpfchen vom aufgewühlten Wasser des Flusses herüber. Sie hielt ostwärts auf Otterspool zu,
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