Fuer immer und einen Tag
sie.
»Wer soll das alles bezahlen?«, wiederholte sie unnachgiebig und sah dabei Louise an.
»Wir müssten eigentlich nur die Nebenkosten bestreiten, zum Beispiel Mums Unterbringung, während ihr dort drüben seid, und den Einkommensausfall, weil dann keine von euch beiden arbeitet. Es gibt Zuschüsse, die wir beantragen können, auch wenn die den Fehlbetrag nicht abdecken werden.«
»Und?«
»Und wir kriegen das hin«, wiederholte Meg.
Emmas Herz pumpte schwer, als ein sehr groÃer Groschen bei ihr fiel. »Deshalb hast du also so viel gearbeitet«, sagte sie zu ihrer Mutter. »Deshalb rackerst du bis zur Erschöpfung.«
»Wir leisten alle unseren Beitrag«, sagte Meg mit einem wegwerfenden Achselzucken. »Louise wird das Bistro neu finanzieren, damit ich einen Teil meiner Einlage herausnehmen kann.«
»Was? Wer soll denn in ein Geschäft investieren, das kaum noch Umsatz macht?«
»Ich finde schon einen Weg.«
Im Restaurant nahm nicht nur die Spannung, sondern auch die Helligkeit immer mehr zu. Emma fühlte ihr Herz hämmern, und ihre Haut prickelte von feinen SchweiÃtröpfchen. »Aber das könnte dein Lokal ruinieren, für das du so hart gearbeitet hast. Für das wir alle so hart gearbeitet haben, verdammt noch mal. Das kann ich nicht zulassen«, sagte sie und knallte die Mappe auf den Tisch.
Louise schüttelte den Kopf. »Das hast du nicht zu entscheiden.«
Emma kehrte ihnen den Rücken zu, wobei sie plötzlich in ein helles Sonnenlicht getaucht wurde, das nicht nur das trübe Halbdunkel der Nische, sondern das ganze Restaurant überstrahlte. Sie stand in einem groÃen Besprechungszimmer mit auf Hochglanz polierten Walnusstischen und Lederstühlen, aber es war nicht die Einrichtung, auf die sie achtete. Vor ihr strömte noch mehr gleiÃendes Licht durchs Fenster herein, und die geisterhaft graue Welt wurde durch blauen Himmel und, weiter unten, einen hellgrünen Baldachin aus Baumkronen ersetzt, der sich über einem ausgedehnten Wegenetz und einem glitzernden See spannte. Emma wusste, dass sie eine Wahl zu treffen hatte, als sie sich zu den Mappen umdrehte, die regenbogengleich über den Sitzungstisch gebreitet waren. Doch ehe sie dazu kam, umfingen die grauen Schatten sie wieder wie Greifarme, und mit einem erschrockenen Keuchen kehrte sie ins Travellerâs Rest zurück.
Sie hielt sich die Hand vor den Mund und wärmte ihre eiskalten Finger mit ihrem warmen Atem, während die Stille im Restaurant immer drückender wurde.
»Emma, bitte sag etwas«, bat ihre Mutter, zunehmend besorgt.
Emma rang nach Luft. »Ich habe das sehr wohl zu entscheiden«, sagte sie und drehte sich wieder zu ihrer Familie um. »Noch kann ich über mein Schicksal selbst bestimmen.«
»Okay, dich auf die Behandlung einzulassen oder nicht, ist deine Entscheidung, aber die Finanzierung nicht«, beharrte Louise. »Ich kann mit meinem Lokal machen, was ich will, und wenn du trotzdem beschlieÃt, das Geld abzulehnen, wissen wir wenigstens, dass wir es versucht haben. So habe ich mich entschieden, und Mum ebenso.«
Emma blickte über den Tisch, wo ein Regenbogen aus bunten Mappen liegen sollte, aber da lag nur eine einzige.
»Ich glaube einfach nicht, dass irgendeine Bank oder ein Investor dir bei deiner gegenwärtigen Finanzlage ein Darlehen gibt.«
Wieder antwortete ihr dieses beredte Schweigen, und sie wappnete sich innerlich gegen das, was als Nächstes kommen würde.
»Ich werde Kontakt zu Dad aufnehmen«, sagte Louise.
Ihr Herz, das sie inzwischen beruhigt zu haben glaubte, trommelte nun umso wilder, was sich auch in ihrer Stimme niederschlug. »Das ist nicht euer Ernst«, knurrte sie.
»Er kann uns helfen, und auÃerdem muss er es erfahren.«
»Was? Was muss er erfahren?«, schrie Emma. »Dass ich wieder krank bin? Was erwartet ihr denn, wie er reagieren wird? Beim letzten Mal ist er auch nicht gerade herbeigestürzt, um mir zu helfen, oder?« Sie fing an zu keuchen, hyperventilierte schon beinahe.
»Vielleicht war ihm nicht klar, wie krank du wirklich warst. Wir wissen es nicht.«
»Aber darum geht es doch gerade, Louise, er hat sich nicht mal bemüht, es herauszufinden! Man hat ihm gesagt, dass ich einen Gehirntumor habe, und alles, was kam, war eine Karte mit Genesungswünschen. Ich habe um mein Leben gekämpft, Herrgott noch mal.
Weitere Kostenlose Bücher