Fuer immer und einen Tag
so helfen Sie ihr nicht. Ich will nicht, dass sie jetzt von irgendetwas abgelenkt wird.«
»Hat Emma da nicht auch ein Wörtchen mitzureden? Falls Sie es vergessen haben, sie ist eine erwachsene Frau und kann sehr gut ihre eigenen Entscheidungen treffen.« Ben schluckte wieder, als hätte er die Worte noch zurückhalten wollen, die scharf durch die dicke Luft schnitten.
»Da irren Sie sich. Sie hat keine Entscheidungen getroffen, nicht was ihre Behandlung angeht, das hat sie alles mir überlassen.« Sie unterbrach sich weinend. »Ich habe doch nicht vor, das Leben meiner Tochter zu zerstören, ich will es retten!«
»Es tut mir leid«, sagte Ben, seine Stimme war kaum noch ein Flüstern. »Ich will Ihnen nicht noch mehr Kummer bereiten, ehrlich.«
»Dann gehen Sie.«
Emma fühlte, wie ihre Hand losgelassen wurde, und griff fester zu. »Emma?«, fragte Ben, jetzt ganz nah. Er beugte sich über sie, sein Gesicht war nur wenige Zentimeter entfernt. Sie spürte seinen Atem, roch seine feuchten Kleider.
»Emma?«, echote Meg.
Schatten tanzten über Emmas geschlossene Lider, als sich alle zu ihr vorbeugten. »Er bleibt«, flüsterte sie.
»Wie fühlen Sie sich, Emma?«, fragte Dr. Spelling, der ihr mit einer Lampe in die Augen leuchtete. Sie konnte zwar Licht und Schatten wahrnehmen, aber nicht mehr als vage Umrisse erkennen, die über einem Meer aus Schwärze trieben, bevor sie in den durch ihren Körper flutenden Morphiumstrom abtauchten.
»Ich glaube, heute kann ich nicht auf einer geraden Linie gehen«, sagte sie benommen.
»Wir müssen ein paar schwerwiegende Entscheidungen treffen«, teilte er ihr mit. »Schaffen Sie das?«
Emma spürte, wie jemand ihre Hand drückte. Es war nicht Ben. Er war nach Hause gegangen, hatte aber versprochen, in einer Stunde zurück zu sein. Sie hatte ihn erst gehen lassen, nachdem sowohl ihre Mutter als auch Louise hoch und heilig geschworen hatten, ihn wieder hereinzulassen.
»Ich kann das für dich tun, wenn du möchtest«, sagte Meg mit einem neuen Händedruck.
»Nein, ich schaffe das, Doc«, sagte Emma.
Sie war entschlossen, für sich selbst zu sprechen, aber es fiel ihr schwer, sich zu konzentrieren, weil ständig irgendwelche unzusammenhängenden Bilder durch ihren Kopf schossen. Sie sah sich in der Küche stehen. Ãpfel wurden zerteilt. Ihre Mutter sagte ihr, dass sie der Wirklichkeit nicht ins Auge sehe.
»Jetzt sehe ich ihr ins Auge«, sagte Emma leise seufzend.
Ein Räuspern. »Wie können Sie von ihr erwarten, solche Entscheidungen zu treffen, wenn sie mit Medikamenten vollgepumpt ist?«, fragte Meg.
»Ihre Tochter hatte noch nie ein Problem damit, ihren Standpunkt klarzumachen, ob mit oder ohne Morphium. Habe ich recht, Emma?«, entgegnete der Arzt.
»SchieÃen Sie los, Doc«, murmelte Emma und kämpfte sich durch den Nebel, um für die Fragen, die über Leben und Tod entscheiden sollten, bereit zu sein.
Dr. Spelling erklärte ihr sorgfältig und in allen Einzelheiten, was seiner Ansicht nach in ihrem Kopf vor sich ging. Er war absolut sicher, dass sie in ihrem gegenwärtigen Zustand nicht nach Boston reisen konnte. Sie brauchte eine Notoperation, durch die der Druck auf ihr Gehirn, verursacht durch ein abruptes Tumorwachstum, verringert wurde. Das war jedoch die einzige Gewissheit, die er hatte. Alles Weitere würde sich schrittweise ergeben.
»Aber wenn Sie operieren, beeinträchtigt das vielleicht ihre Eignung für den klinischen Versuch«, mischte sich Meg ein, bevor Emma eine Chance hatte, etwas zu sagen.
»Emmas jetzige Verfassung stellt das ohnehin in Frage, fürchte ich. Nach der Operation wissen wir mehr.«
»Nein«, sagte Meg hartnäckig, »das genügt mir nicht. Ich möchte eine zweite Meinung einholen. Ich will hören, was die in Boston sagen, bevor wir hier irgendetwas zustimmen.«
»Hallo, ich bin noch da«, sagte Emma. »Und es ist immer noch meine Entscheidung.«
Als sie auf ihr Bett zurücksank, fühlte sie sich wie Alice im Wunderland, die über die Gestalten in ihrer Umgebung hinauswuchs und immer gröÃer und stärker wurde, weil der Zaubertrank in ihren Adern sie von einem kleinen, wehrlosen Kind in eine Riesin verwandelte.
»Emma, wir müssen operieren. Ich brauche Ihre Zustimmung.«
»Die haben Sie«, sagte sie.
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