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Fuer immer und einen Tag

Fuer immer und einen Tag

Titel: Fuer immer und einen Tag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amanda Brooke
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an das fiktive Leben, das sie sich zusammen schufen. Sie hatte ihren Laptop bisher immer noch nicht benutzen können und fragte sich langsam, ob es sich lohnte, etwas fortzusetzen, das sie möglicherweise nicht vollenden konnte. Andererseits hatte sich die Geschichte in ihrem Kopf quasi von selbst weiterentwickelt, und sie würde nicht anders können, als sie aufzuschreiben, sobald es ging. Sogar jetzt zog sie sie wieder in ihren Bann, und sie wehrte sich nicht dagegen. Je mehr Raum das Buch in ihrem Bewusstsein einnahm, desto weniger Raum stand ihrem Krebs und ihren Ängsten zur Verfügung, sagte sie sich.
    Ich unterdrückte immer noch die Tränen, während mein Magen rebellierte. Es war der Augenblick, als die Schwerkraft ihren Griff lockerte und das Flugzeug abhob, mich von dem Mann wegriss, den ich liebte. Die Sonne schien mir voll ins Gesicht, und ich sah die Wolken unter uns wegsacken. Der leuchtend blaue Himmel stach mir in die Augen.
    Das Flugzeug neigte sich zur Seite, mein Magen rebellierte wieder, und dann verschwand die Sonne. In Schatten getaucht spürte ich die Fangarme der Dunkelheit, die sich nach meinem Herzen ausstreckten. Ich schloss die Augen und sah mich dem Ladenbesitzer gegenüber.
    Â»Nimm die Schachtel, Emma«, war alles, was er sagte.
    Der Flieger stellte sich wieder waagerecht, und ich kam zurück ins Licht. Mir wurde schwindelig bei dem Gedanken daran, was ich vorhatte. Ben war der Mann, der mir bestimmt war, mit dem ich mein Leben verbringen wollte. Was hatte ich getan? Auf einmal bekam ich keine Luft mehr. Erst da merkte ich, dass ich nun doch zu weinen begonnen hatte. Die Tränen liefen mir übers Gesicht, meine Nase war verstopft, und der arme Mann neben mir sah mich befremdet von der Seite an. Ich entschuldigte mich dafür, dass ich nasse Taschentücher auf seinen Schoß hatte fallen lassen, und zwängte mich hinaus, um mich in der Toilettenkabine frisch zu machen. Mit roten, geschwollenen Augen, nur verschwommen sehend, wankte ich zum hinteren Teil des Flugzeugs. In meiner Hast, mich neugierigen Blicken zu entziehen, blieb ich mit dem Rock am Sitz eines anderen Passagiers hängen. »Tut mir leid«, sagte ich schniefend zu dem Mann, der zu mir aufsah.
    Â»Das sollte es auch«, sagte er ernst. »Ist dir klar, dass ich deinetwegen durch die Hölle gegangen bin?«
    Ich sank auf seinen Schoß und vergrub mein Gesicht an seinem Hals, als die Tränenflut mit neuer Macht hervorbrach. So leicht wurde ich ihn offenbar nicht los.
    Emma riss sich in die Wirklichkeit zurück und nahm den feuchten Waschlappen von ihrem Gesicht. Ihre grimmige Entschlossenheit, über ihr Leben selbst zu bestimmen und zu akzeptieren, dass sie bald sterben würde, hatte einen Adrenalinschub bewirkt, der den arzneimittelbedingten Nebel hinweggefegt und ihr geholfen hatte, die schmerzlichen Gespräche mit ihrer Familie, mit Ben und mit Dr. Spelling durchzustehen. Sie hatte eine unangreifbare Rüstung angelegt, bereit für die Schlacht, und auch schon ein paar kleine Siege errungen. Eigentlich sollte sie mit sich zufrieden sein.
    Doch je mehr das Wasser abkühlte, desto weniger sicher fühlte sich die Schutzhülle an, in die sie hineingeschlüpft war. Sie hatte ihre Rüstung abgelegt und zitterte nun in ihrer Nacktheit. Das Wasser zitterte aus Sympathie mit. Es gab zwei Feinde, die sie offensichtlich nicht besiegen konnte, und den ersten hatte sie während der vergangenen fünf Jahre gut kennengelernt, das Monster in ihrem Kopf. Der zweite war ihr auch nicht gerade neu, doch sie begann erst jetzt, seine Macht wirklich zu erfahren. Dieser Feind war die Zeit.
    Sie hatte längst gelernt, dass man besser nicht fragte, wenn man die Antwort nicht wissen wollte, doch während ihre Familie die dringlichste Frage vermieden hatte, hatte sie selbst sie gestellt. Sie hatte Dr. Spelling gefragt, wie lange sie noch zu leben hatte, und er hatte ihr eine ehrliche Antwort gegeben. Er wisse es nicht, hatte er gesagt, aber seiner Einschätzung nach könne die Zeit nur noch in Monaten bemessen werden, und das mit Glück.
    Das Wasser, das sie sich ins Gesicht geklatscht hatte, lief ihr übers Kinn und tropfte auf die bewegte Oberfläche. Ein abtrünniges Tröpfchen rollte zwischen ihre Lippen. Es schmeckte salzig, aber sie erkannte es zuerst nicht als Träne, nicht bis ein lautes Schluchzen von den gekachelten Wänden widerhallte. Sie

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