Fuer immer und einen Tag
heraus. »Es ist mir egal, ob es ihm für den Rest seines Lebens leidtut, ich hoffe es sogar. Er hat mein Mitgefühl nicht verdient.«
»Und was ist mit mir? Verdiene ich auch kein Mitgefühl?«, schrie Louise zurück.
Emma wusste nicht, was sie darauf sagen sollte, sie sah keinen Zusammenhang.
»Ich werde dich verlieren, Emma, und es macht mir Angst, es allein mit der Welt aufnehmen zu müssen, schreckliche Angst!«
Emma schüttelte den Kopf. Sie wollte Louise am liebsten den Mund verbieten. Sie fühlte sich schon schuldig genug, mehr wollte sie nicht hören. »Du kommst schon klar. Du hast Mum. Du brauchst Dad nicht.«
»Ach ja? Du denkst wirklich, ich habe Mum?« Louise war plötzlich auÃer sich. »Emma, du kommst immer an erster Stelle bei ihr! Ich mache ihr keinen Vorwurf daraus, ich würde mich wahrscheinlich genauso verhalten. Aber später, wenn du ⦠hinterher, meine ich, wie soll ich je bei Mum Trost finden, wenn doch keins von meinen Problemen, was es auch ist, so groà sein kann wie deines, so schlimm wie das hier. Ich würde immer mit dir verglichen werden und immer den Kürzeren ziehen. Ich weià ja selbst, dass ich das nicht aushalten könnte, was du durchmachst, nicht so tapfer wäre.«
Louise zitterte am ganzen Leib. Emma wurde weich, wenn auch nur ein wenig, und legte den Arm um sie. »Du traust dir zu wenig zu, und Mum auch. Ihr werdet darüber hinwegkommen, alle beide.«
»Siehst du, was ich meine?«, rief Louise, deren Wut nun von Schmerz hinweggespült wurde. »Du machst es schon wieder! Du bist wieder die Starke. Wie kann ich je so stark sein, Emma? Ich weià nicht einmal, wie ich mich selbst über Wasser halten, geschweige denn Mum beistehen soll.«
»Du schaffst das schon«, sagte Emma, aber vor lauter Niedergeschlagenheit kam es ohne Ãberzeugung heraus.
Louise schüttelte den Kopf, ihre Tränen wurden schnell vom Wind getrocknet. »Ihr sagt mir beide dauernd, dass ich auf eigenen Beinen stehen muss, und ich gebe mir wirklich alle Mühe, aber ich weià nicht, wie lange ich noch durchhalten kann.«
Emma merkte nicht, dass sie ebenfalls weinte, bis sie die Nässe auf ihren Wangen spürte. »Du kannst das, Lou. Du hast es immer gekonnt, und wenn ich nicht ständig so um dich herumgegluckt hätte, würdest du es auch selbst glauben. Du bist meine kleine Schwester, und ich wollte, dass bei dir alles wie im Bilderbuch ist, besonders nach allem, was wir zusammen durchgemacht hatten. Eine von uns beiden sollte ein perfektes Leben haben, und ich würde es nun einmal nicht sein«, sagte sie. Sie räusperte sich, das Geständnis fiel ihr schwer. »Aber es ist nicht mein Leben, sondern deines, und es wir noch lange weitergehen, nachdem ich gestorben bin. Du wirst das hier überleben, du bist stärker, als du denkst.«
Louise hatte die Hände vors Gesicht geschlagen, und im ersten Moment glaubte Emma, dass sie zusammenbrechen würde, aber ihre Schwester überraschte sie. Als sie den Mut zum Sprechen fand, hatte ihre Stimme einen stählernen Unterton. »Ich war nicht blind, ich wusste, dass du dein Leben stellvertretend durch mich weiterleben wolltest. Ich wusste es und habe es zugelassen, weil ich mich so schuldig fühlte. Du warst todkrank, und wenn es dir half, dich in mein Leben einzumischen, wie sollte ich mich da weigern? Ich habe dich sehr lieb, Emma, und ich würde alles für dich tun, aber bitte komm mir in dieser einen Sache entgegen«, sagte sie. »Ich brauche jemanden, bei dem ich mich ausweinen kann, und falls Mum ausfällt, will ich zu meinem Vater gehen können. Aber wenn du jetzt keinen Frieden mit ihm schlieÃt, wird er es nicht ertragen, Kontakt zu mir zu haben. Ich kenne ihn vielleicht nicht so gut, wie ich sollte, aber wir wissen beide, dass es so kommen wird.«
»Natürlich wird er Kontakt zu dir haben wollen«, widersprach Emma. »Du warst doch immer sein Liebling.«
Louise musste beinahe lachen. »Ich? Du warst immer Papas Liebling! Dich hat er mit auf seine Ausflüge genommen. Ich war das verzogene Balg, weiÃt du nicht mehr? Das anstrengende Kind, das seinen Willen bekam, damit er es schnell wieder loswurde.« Als Emma den Kopf schüttelte, legte Louise nach. »Ich habe Verbindung zu ihm aufgenommen, aber wem hat er geantwortet? Okay, er hat dir das Geld geschickt, damit ich Ruhe gebe, aber
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