Fuer immer und einen Tag
blieb diesmal stehen. Nachdem sie die Muschel auf der Fensterbank abgelegt hatte, ging sie zur Tür, vor der sie ein Tablett mit einem Glas Wasser und den Tabletten fand. Sie nahm es und kehrte damit zum sicheren Hort ihres Betts zurück.
»Hast du gut geschlafen?«, fragte sie und schluckte ihre Pillen.
»Ja, ich könnte mich daran gewöhnen«, sagte er.
»Ich auch.«
»Allerdings bin ich nicht sicher, was deine Mutter davon halten wird«, fügte er hinzu.
»Sie wird schon einverstanden sein.« Nach dem gestrigen Tag zu urteilen, würde ihre Mutter Bens Gesellschaft beinahe genauso genieÃen wie sie selbst.
»Wir könnten natürlich auch überlegen, bei mir zu wohnen.«
Emma schüttelte den Kopf. »Lieber nicht, wenn es dir recht ist.« Sie dachte an die dunklen Tage, die da kommen würden, und auch wenn Ben sein Bestes tun würde, ihr während der Behandlung beizustehen, würde es doch Zeiten geben, in denen sie ihre Mutter bei sich haben wollte. AuÃerdem hoffte sie, Louise überreden zu können, bei Steven einzuziehen, wenn ein Zimmer über dem Bistro frei wurde. Sie hatte sich das alles schon zurechtgelegt und glaubte nicht, dass Steven Einwände erheben würde. Er engagierte sich mit Leib und Seele für das Bistro, aber sie hatte den Verdacht, dass es nicht nur das Restaurant war, das ihm so am Herzen lag. »Das könnte ein gutes Druckmittel sein, aber ich denke nicht, dass ich Mum lange überzeugen muss.«
»Ich werde mich eventuell verdrücken, wenn du das Thema anschneidest.«
»Geh nicht zu weit weg«, sagte Emma.
»Bestimmt nicht.« Ben strich eine ihrer Locken zurück und fuhr dabei über die ausrasierte Stelle, denn das Haarband war längst abgestreift worden. Sie wunderte sich, wie entspannt sie in seiner Gegenwart war, wie gewiss, dass er nicht vor ihr zurückschrecken würde. Sie hatte ihn in ihre Seele blicken lassen, und Ben hatte ihre Schönheit gesehen, nicht die Mängel.
»Gut, denn ich habe vor, den Rest meines Lebens mit dir zu verbringen.«
Emma sah Gedanken an die Zukunft wie eine dunkle Wolke über sein Gesicht ziehen. Er merkte, dass seine Ãngste ihm anzusehen waren, und blinzelte sie weg. Dann bewegte er seine Hand langsam an ihrem Körper hinunter, bis sie flach auf ihrem Bauch zu ruhen kam. »Wir wäre es mit einem Flitterwochen-Baby?«, schlug er vor.
Jetzt musste sie blinzeln. Bei der Vorstellung, sich auf die Mutterrolle einzulassen, wenn auch nur imaginär, wurde ihr angst und bange. Nicht, weil sie keine Kinder haben wollte, sondern weil sie sich so furchtbar danach sehnte. Eine Familie zu gründen war nicht nur ein Teil ihrer Lebensplanung gewesen, es war der wesentliche Teil. Das, woraufhin alles andere ausgerichtet werden sollte. Der Krebs hatte diesen Traum vor fünf Jahren zerstört, und auch wenn ihre Karriere ihm als Erstes zum Opfer gefallen war, bekümmerte sie doch die Möglichkeit â nun Gewissheit â am meisten, dass sie nicht lange genug leben würde, um Kinder zu haben und sie aufwachsen zu sehen.
»Was ist?«, fragte Ben. Er wollte gerade seine Hand wegnehmen, weil er ihre Zurückhaltung spürte, aber sie hielt sie fest.
»Das wird eine Herausforderung werden, aber ich nehme sie gern an«, sagte sie in dem Wissen, dass ihre Wahlmöglichkeiten im Leben begrenzt waren, nicht aber in ihrer Fantasie â es sei denn, sie erlegte sich selbst Beschränkungen auf.
»Bist du sicher?«, hakte Ben nach. Ihre Bedenken hatten sich offenbar auf ihn übertragen.
»Ja, bin ich. Also, um wie viel Uhr musst du im Bistro sein?«
»Spätestens um zehn«, sagte er. »Möchtest du mitkommen, mal wieder einen Tag im Büro verbringen?«
»Würde ich gern, aber ich habe später einen Termin im Krankenhaus«, sagte sie. Sie hatte nur noch eine Woche Zeit bis zum Beginn der Strahlenbehandlung und sah ihr mit sehr gemischten Gefühlen entgegen, denn sie würde nicht nur ihren Alltag bestimmen, sondern zugleich ihre Lebenskraft schwächen. Auch wenn sie mehr als bereit war für den Kampf, fürchtete sie ihn doch auch. Falls ihr Tumor nicht darauf ansprach, würde das den Anfang vom Ende bedeuten, und sie wusste nicht, ob sie das schon akzeptieren konnte. Es gab noch zu viel, was sie erleben wollte. »Danach gönne ich mir, glaube ich, einfach einen faulen Tag. Ich
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