Fuer Wunder ist es nie zu spaet
und holt dich.«
Maja lächelt, und so sitzen sie wie zwei kleine Vögel nebeneinander
am Ufer auf den warmen Steinen, wo das Wasser an ihren sandigen Zehen leckt und
die Möwen in einiger Entfernung über alles Mögliche schwatzen.
»Verdammt.«
Mit einem müden Lachen lehnt sich Maja zurück und lässt den Rücken
sanft auf den sonnenwarmen Steinen landen. Sie streckt die Beine aus, hält sich
die Hände vor die Augen und denkt an den Zettel, den sie vor einiger Zeit geschrieben
hat:
1. Die Lust am Schaffen
wiederfinden
2. Vielleicht auch ein bisschen
Geld damit verdienen
3. Mehr spielen
4. Spüren, dass ich mein Leben lebe
5. Scheiß drauf
Im Moment spielt sie, und zwar im allerhöchsten Maße, und
es ist so wunderbar, dass sie nicht einmal ein schlechtes Gewissen hat. Geld
verdienen? Na ja, nicht direkt. Aber es hat angefangen, ihr in den Fingern zu
jucken, sie empfindet eine Art von Lust am Schaffen. Diese Torte mit Blumen und
Beeren, die ein Meer bildeten, war das erste Eigene, was sie seit Langem
geschaffen hat.
Alex hat irgendetwas in ihr in Gang gesetzt, etwas Wildes, das ihr
das Gefühl gibt, ihr eigenes Leben zu leben. Jetzt ist sie es, die bestimmt, ja, das ist der Anfang ihres eigenen Lebens. Sie hat gewählt.
Auch wenn sie falsch und verlogen sein mag, so ist es doch ihre Entscheidung.
Vorsichtig spreizt sie ihre Beine und spürt gleich Alex’ Hand
dazwischen, während zwei Damhirsche ruhig dastehen und etwas Wasser aus dem See
trinken.
47
A uf Hjortholmen, mitten im Vänersee,
thront das Schloss im Sonnenuntergang. Alex liegt wach und zufrieden in seinem
Zimmer, er hat den Laptop auf dem Bauch und sieht zum vierundzwanzigsten Mal
»Men in Black 2«. Karin schläft im Arm von Jens, der hellwach und hungrig ist,
aber sich keinen Millimeter rührt, den tiefsten Schlaf ihres Lebens. Allerdings
spricht er sehr leise in sein Handy und vergewissert sich bei jemandem am
anderen Ende der Leitung, dass alles geregelt ist.
Die Freunde sind nach Hause gefahren. Gegen zweiundzwanzig Uhr gab
es Umarmungen, Küsschen, Küsschen, Zigarettenrauch und Winken auf dem Steg,
denn sie wollten noch alle den Elf-Uhr-Zug nach Stockholm erwischen. Josefin
liegt hellwach im Bett, Lampe und Radio eingeschaltet. Nach einem Tag voller
Freizeit ist sie ruhelos. In der Sonne herumzuliegen entspricht nicht gerade
ihrer Vorstellung von Glück, und sie freut sich darauf, am nächsten Tag wieder
zupacken zu können.
Pelle und Maja liegen in ihrem gemeinsamen Bett. Keiner von ihnen
schläft. Pelle flattert zwischen Schlafen und Wachen hin und her, und zwar
nicht, weil er sich nicht müde fühlt, sondern weil er mehrere Tage lang nicht
richtig geschlafen hat und der Körper jetzt einfach aufgibt. Maja schläft
überhaupt nicht. Sie denkt über das nach, was sie vor ein paar Stunden zu Alex
gesagt hat, was ihn so überglücklich gemacht hat, dass er zu hüpfen begonnen
hat. Der süße, kleine Alex. Sie werden zusammen zum Duvsund fahren, offiziell,
um das Schwimmen in tieferem Wasser zu üben, inoffiziell, um . . . um den Zauber
zu brechen. Sie will mit Alex wegfahren, ein bisschen mehr Zeit mit ihm
verbringen, um dann einzusehen, wie jung er ist, wie wenig sie füreinander
geschaffen sind und wie sinnlos die ganze Sache ist. Sie will sich satt lieben
und dann Schluss machen, denn so hält sie es nicht lange aus.
Pelle reißt Maja mit einem Husten aus ihren Gedanken. Pelle. Da ist
er. Maja lässt ihren Blick über seinen Rücken wandern, den er ihr zugewandt
hat. Wie oft hat sie nicht hinter diesem breiten Rücken gelegen, ihre kleinen Arme
um ihn geschlungen und sich festgeklammert wie ein Koalabär. Und ebenso viele
Male hat Pelle sich umgedreht, den rastlosen Koalabären in die Arme genommen,
sie langsam geschaukelt, liebevolle Worte in ihre Koalaohren geflüstert und sie
in seiner Wärme schlafen lassen. Mit zögerlichem Sehnen streckt Maja die Hand
aus und legt sie sanft auf Pelles Rücken. Die Hand hebt und senkt sich von seinem
Atem.
Am Fenster klappert es, ein Flügel springt auf. Maja steht auf und
geht auf Zehenspitzen zum Fenster, spürt den ersten kühlen Wind seit über einem
Monat. Sie schließt die Augen und lässt die Kühle um ihren Körper wirbeln und
ihn abkühlen.
Um das Schloss herum frischt es auf. Die Stille ist vorbei, jetzt
weht es. Das Laub raschelt, das Gras neigt sich unter dem kräftigen Luftzug,
und draußen auf dem Wasser ahnt man kleine weiße Schaumkronen. Kein
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