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Fürchte deinen Nächsten!

Fürchte deinen Nächsten!

Titel: Fürchte deinen Nächsten! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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wichtig für sie, und deshalb hielt ich Marcella Ash nicht zurück.
    Das Guckloch lag so hoch, daß sie ohne sich zu recken oder in die Knie gehen zu müssen, hindurchschauen konnte. Ich blieb direkt hinter ihr stehen und sah, wie sie plötzlich zusammenzuckte.
    »Das… das… gibt es doch nicht…«
    »Was ist denn?«
    Marcella drehte sich scharf nach links. »Schauen Sie selbst, John, bitte.« Blaß im Gesicht trat sie zur Seite. Ich war gespannt, welche Überraschung mich erwartete.
    Eines sah ich sofort, und das war zunächst einmal sehr wichtig. Delany befand sich noch in seiner Zelle. Nur hatte er sich vom Boden erhoben und ging dabei hin und her. Bei jedem Schritt nickte er vor sich hin und bewegte seine Arme wie ein Vogel die Schwingen, bevor er sich in die Luft erhob.
    Er sprach mit sich selbst. Worte konnte ich nicht verstehen. Ich sah nur, wie er seinen Mund bewegte. Leider war es mir nicht möglich, von seinen Lippen abzulesen, was er sagte, doch es konnte sein, daß ihm die Worte selbst Schwung und Sicherheit verliehen, die er durch mein Kreuz verloren hatte.
    Er warf kaum einen Blick auf die Tür. Ging weiterhin seinen Weg, sprach mit sich selbst und hielt dabei den Kopf gesenkt und den Blick zu Boden gerichtet.
    Es schien wohl seine Art Entertainment zu sein, um sich wieder aufzurichten, und es überraschte mich, als er aus dem Lauf heraus plötzlich mitten in der Zelle stehenblieb. Er kam mir jetzt vor wie jemand, der einen bestimmten Entschluß gefaßt hatte, denn er richtete sein Gesicht gegen die Decke.
    Dort malte sich nichts ab. Zumindest sah ich nichts, doch er schien fasziniert zu sein.
    »Was tut er?« flüsterte Marcella.
    »Im Moment ist er ruhig und schaut gegen die Decke.«
    »Da kommt er nicht durch.«
    Ich enthielt mich einer Antwort, denn Judas Delany wirkte auf mich nicht wie ein Mensch, der sich schon aufgegeben hatte. Er suchte nach einem neuen Kraftschub, und das tat er auf seine Weise.
    Obwohl nicht viel Interessantes ablief, blieb ich am Guckloch. Ich hatte den Eindruck, daß etwas geschehen würde. Schließlich mußte er sein Versprechen einlösen.
    Auch in den folgenden Sekunden geschah nichts Außergewöhnliches, bis er anfing, sich zu drehen. Er entfernte sich dabei nicht von seinem Standort, sondern drehte sich weiter wie ein Tänzer, hatte die Arme in die Höhe gestreckt und über dem Kopf beide Hände zusammengelegt.
    Manche Tempeltänzerin bewegte sich ähnlich wie er, und ich fragte mich, welcher Sinn hinter diesem Tanz steckte.
    Es gab einen.
    Judas drehte sich schneller. Immer schneller. Er blieb noch auf der Stelle. Seine Umrisse verwischten, und er verwandelte sich in eine schattenhafte wirbelnde Spirale.
    Ich wußte plötzlich, daß ich dicht vor einem unbegreiflichen Phänomen stand und Judas Delany dabei war, seine Prophezeiung in die Tat umzusetzen.
    Er wollte verschwinden. Er drehte sich. Ein kreiselnder Schatten, der schon körperlos geworden war und sich immer mehr auflöste. An seiner Stelle erschienen dunkle Flecken, als hätte eine finstere Sonne Puzzleteile ihres Lichts in der Zelle verteilt.
    »Den Schlüssel, Marcella, schnell!« Ich blieb mit dem Auge am Guckloch und rutschte nur so weit zur Seite, damit sie aufschließen konnte und nicht von mir behindert wurde.
    »Was ist denn, John?«
    »Gleich, gleich!«
    Er tanzte weiter. Nein, es waren die Schattenstücke. Es gab keinen Körper mehr, dafür drehten sich die Reste der Schatten zu einer Spirale zusammen, die gegen die Decke stieg.
    Je höher sie kam, um so schwächer wurde sie. Der Mensch war zu einem Schatten geworden, und der Schatten löste sich auf.
    Ich trat vom Guckloch zurück. Die Klappe rutschte automatisch wieder davor, und Marcella hatte es geschafft, die Tür aufzuschließen. Sie zerrte sie auch zu sich heran, trat einen Schritt nach vorn und blieb starr stehen.
    Nur ihre Augen bewegten sich, der übrige Körper war erstarrt. Dann flüsterte sie: »Er ist weg…«
    ***
    Ja, er war weg, und das bestätigte ich ihr auch. Ich spürte, wie sie zu schwanken begann. Es fehlte nicht mehr viel, und sie wäre einfach gefallen. Blaß genug für eine Ohnmacht war sie. Mit beiden Händen stützte ich sie ab.
    Es vergingen Sekunden, bevor Marcella Ash wieder sprechen konnte. »Das ist doch nicht wahr, John«, stotterte sie. »Der Mann… der Killer… er ist weg.«
    »Leider«, sagte ich.
    »Und wo ist er?« Sie sprach und lachte zugleich.
    »Es wird Ihnen zwar nicht viel helfen, aber ich sage, daß

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