Full House: Liebeserklärung an die Chaosfamilie (German Edition)
hieß es: »Papa, ich muss für die Osterfeier eine Hose basteln. Kannst du mir helfen?«
»Du meinst bestimmt einen Hasen, Ryan.«
»Nein, Frau Schrödel hat gesagt, ich soll eine Hose basteln. Ganz ehrlich. Ich hab nachgefragt.«
Tja, was sich moderne Erzieherinnen eben so ausdenken. Also eine Hose, wozu auch immer. Vielleicht wollen sie die ja dem Osterhasen anziehen. »Entschuldige, Ryan, aber ich bin ganz schlecht im Basteln. Hast du mal Mama gefragt? Die kann das bestimmt viel besser!«
»Hab ich schon. Aber die muss zum Friseur.«
»Verstehe.« Eigentlich verstehe ich es ja nicht. Warum müssen Frauen immer dann zum Friseur, wenn sie gerade besonders dringend gebraucht werden? »Okay, dann lass uns mal ein paar Sachen zusammensuchen.«
Und wir haben gesucht. Und wie wir gesucht haben! Nachdem im ganzen Haus kein Stück Stoff aufzutreiben war, habe ich eine meiner Boxershorts geopfert. Das Muster (mehrere Palmen mit Surfern) sah zwar nicht sehr nach Ostern aus, aber zwei abgebrochene Nadeln, zwei Spulen Faden und drei blutig gestochene Daumen später war die Hose fertig. Sah sogar ziemlich gut aus, dafür, dass wir versehentlich ein Bein unten zugenäht hatten und dann wieder auftrennen mussten.
Gegen Ryans heiße Tränen am nächsten Tag half das trotzdem nicht – Frau Schrödel hatte eben doch einen Hasen gemeint. Wir hatten nicht bedacht, dass Sie aus Franken kommt, wo die Hasen Hosen heißen und die Hosen Husen.
Ob nun Hosen oder Hasen, ob Lampions oder Serviettenringe, es scheint ein Naturgesetz zu sein, dass Kinderkriegen gleichbedeutend ist mit Bastelnmüssen. Väter leben praktisch jahrelang mit dem Uhu oder Sekundenkleber im Anschlag. Und die Anforderungen steigen dabei! In meiner Kindheit mussten wir irgendwelche Dinge aus Papier falten. Heute bauen die lieben Kleinen ganzeWeihnachtskrippen selbst. Sätze wie »Papi, kannst du das festhalten, bis es trocken ist?« bringen mich aus dem inneren Gleichgewicht und, da bin ich mir sicher, schaden meiner Gesundheit. Vor allem weil es meist Stunden dauert, bis man wieder loslassen darf, und dann kleben nicht die Bastelobjekte, wohl aber die Finger aneinander.
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Tagebucheintrag: 28. November,
14:30 Uhr – Wohnzimmer
Heute brachte Ryan aus dem Kindergarten einen selbst gebastelten, undefinierbaren Gegenstand mit. Als ich ihn lobte und meinte, ich hätte noch nie ein so schönes Pferd gesehen, fing er an zu weinen und trat wütend gegen den Tisch. »Das ist ein Raumschiff!«, schrie er und stapfte wütend davon. Bei näherer Betrachtung musste ich meinem Sohn recht geben: Ein Pferd war das Ding mit Sicherheit nicht, eher ein rachitischer Frosch. Wie auch immer, das Wesen sah megahässlich aus, aber Kinder haben bedeutet nun
mal nicht immer die Wahrheit sagen. »Nein, Mama hat heute Nacht nicht gestöhnt, sie hatte Kopfweh.« Oder: »Nein, Papa und Mama vertragen sich immer …«
Mittlerweile steht das sogenannte Raumschiff auf unserem Couchtisch und wird von uns regelmäßig heuchelnd bewundert. »Ist unser Ryan nicht künstlerisch begabt?!« Unter uns: Er ist wirklich nicht begabt, zumindest nicht künstlerisch.
PS: Es ist mir trotz wiederholter Versuche nicht gelungen, »das Ding«, wie Bea und ich es inzwischen nennen, zu zerstören. Mehrmals ist es mir – aus Versehen – vom Tisch gefallen. Es blieb unzerstörbar. Selbst Yuma, unser Terrier, hat Stunden darauf rumgebissen. Nichts, außer dass ich morgen mit dem Hund zum Tierarzt muss, wegen eines ausgebissenen Zahnes. Ein Freund von mir lebt in einem Hochhaus, 28. Stock, vielleicht bringt das ja etwas. Allerdings müssen wir den Abwurf auf nachts verschieben. Nicht, dass jemand durch das Raumschiff erschlagen wird …
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Viel Lärm um nichts
Die Weihnachtsaufführung von Clara findet heute statt. Wir Eltern platzen vor Stolz, denn unsere Tochter spielt eine wichtige Rolle. Alle in der Familie sind bereits in heller Aufregung, selbst unser Hund Yuma spürt die Nervosität. Vor einer Woche hat uns Clara tatsächlich gefragt, ob Yuma denn nicht das Jesuskind in der Krippe spielen könnte. Es wäre keine Sprechrolle, und sie müsste nur still im Pyjama in der Krippe liegen. Als Beate und ich bezweifeln, ob es damals schon Pyjamas gab, nennt sie uns Korinthenkacker. Nun ja, die weihnachtlichen Gefühle würden sich bei unserer Tochter schon noch einstellen. Es ist ja bekannt, dass Schauspieler in den Wochen vor der Premiere oft austicken und unter großem Stress leiden.
Yuma als
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