Fummelbunker
fing Olaf schließlich an. Er schniefte. »Was zum Teufel hattest du in Isselburg verloren?«
Auf Höhe von Hünxe stellte ich mich schlafend. Olaf wollte mehr über mein Bein wissen, aber ich blockte ab. Damit wollte ich mir noch etwas Zeit lassen. Zu Hause angekommen bestand er darauf, mir beim Treppenaufstieg unter die Arme zu greifen, aber ich verwehrte ihm dies, indem ich ihn noch auf dem Bürgersteig in den Feierabend verabschiedete und mich für die aufschlussreiche Fahrt bedankte.
»Eine Frage noch, Olaf. Was war so besonders an Dortmund?«
Er seufzte. »Dortmund gilt bereits bundesweit als eine der Hochburgen des Rechtsextremismus. Viel ist dort in Bewegung. Viel Beunruhigendes. Leute kommen aus allen Bundesländern zu uns, um den sogenannten Autonomen beizutreten. Ich weiß nicht, wie das weitergehen soll.«
Der Weg nach oben dauerte ziemlich lange und ich war froh, dass ich keinem Nachbarn über den Weg humpelte. In der Wohnung ließ ich mich als Erstes auf dem Sofa nieder; ein Möbelstück, das mein Schicksal teilte. Beide waren wir Opfer garstiger Verbrecher gewesen, beide hatten wir dem Tod ins Auge gesehen. Ich sogar mehr als einmal, doch das tat meiner Anschmiegsamkeit keinen Abbruch. Ich schaltete den Fernseher ein und zappte durch die Kanäle, doch ich konnte mich nicht auf die flackernden Bilder konzentrieren. Ich war müde und gleichzeitig aufgewühlt von Olafs Geschichten, hatte Durst sowie Hunger auf etwas Chinesisches. Doch selbst für den Gang zum Klo fehlte mir jede Muße.
Ich schloss die Augen und träumte von fliegenden Saté-Hühnchen in Erdnusssauce mit zu Hakenkreuzen geschnitzten Möhrenschnipseln. Kaum zwei Minuten später holte mich die Türklingel aus meiner Traumblase und ich saß kerzengerade im Polster. Knurrend stakste ich mit den Krücken durch den Flur. Meinem Gast dauerte das Ganze zu lange, denn der schellte mittlerweile Sturm. Als ich die Tür aufmachte, wartete Metin bereits auf der Matte, schwitzend und vom Aufstieg sichtlich erschöpft.
»Wo warst du, verdammt noch mal?«, hechelte er.
»Im Krankenhaus.«
»Ja, das weiß ich auch!« Er stampfte in den Flur und zog eine bissige Duftwolke nach sich. »Was ist das?« Er schaute auf mein Bein.
»Ein Verband.«
»Hör auf, mich zu foppen!«
»Ich wurde angeschossen.«
Seine Geheimratsecken liefen rot an. »Wer macht so etwas? Panko? Hast du ihm ans Bein gepisst? Hat er dich angeballert?«
»Nein. Das heißt: Nicht direkt.«
»Was heißt das? Hat er dich indirekt angeballert oder was? Ein Querschläger?«
Ich verdrehte die Augen. »Er hat mich nicht angeschossen!«
Metin blies seine runden Backen zu kleinen rosa Ballons auf. »Sei froh«, pustete er heraus. »Denn mit seiner 9 Millimeter hätte er dir garantiert das halbe Bein weggepustet.«
»Danke.«
»Also, was ist? Willst du mir die Sache nun erzählen oder nicht?«
»Eher nicht«, sagte ich knapp.
»Dachte ich es mir doch.«
Metin ging in die Küche und öffnete meinen Kühlschrank. Als er sich vorbeugte, verschlangen seine Bauchspeckfalten die Knöpfe seines Hemdes und Schweißperlen rannen über sein Kinn. Wieso musste sich jeder an meinem Kühlschrank bedienen?
»Da ist ja gar nichts drin«, maulte er und schloss die Tür. »Bist du jetzt krankgeschrieben oder was?«
»Natürlich bin ich das!«
»Ja, ja. Ist ja gut.« Er stemmte seine Wurstfinger in die fleischige Hüfte. »Also. Schieß los. Was hast du über Tarek rausbekommen?«
Seine Frage zauberte ein seichtes Grinsen auf mein Gesicht. »Was Frauen betrifft, habt ihr offenbar den gleichen Geschmack.«
»Hat er etwa eine Perle?«
»Nicht nur eine.«
Er verschränkte die Arme vor der Brust. »Hör auf, mich zu foppen. Woher kennst du meinen Frauengeschmack?«
»Sagen wir es mal so: Ihr guckt euch die gleichen Filme an.«
Er schaute drein wie ein betäubtes Pferd. Dann endlich war der Groschen gefallen. Er ließ Arme und Kinnlade sacken, Hals und Wangen färbten sich schweinchenrosa.
»Ich gucke die Filme nicht«, verteidigte er sich.
»Ach.« Ich mimte die Überraschte.
Das spitzte Metin nur noch mehr an. »Ich vertreibe sie.«
»Du machst was?«
»Ich verscherbele die Filme.«
»Und wozu der Fernseher? Der Sessel?«
Er zwinkerte. »Ein Vorführraum.«
Ich nickte kurz. Dann prustete ich los. Metin wurde sauer.
»Das ist erstklassige Ware, Mann!«
»Ach ja? Und woher kommt die?«
Er schob sein Kinn vor. »Von hier und da.«
Damit wollte ich mich nicht abspeisen lassen.
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