Fußballschule am Meer Bd. 3 - Im Alleingang
die immer noch dreckigen Fußballschuhe an und wollte das Zimmer schon wieder verlassen, als ihm quasi im Vorbeilaufen Lucas Schultasche auffiel. Er stoppte ab, drehte sich um und entdeckte sofort, was seinen Blick wie magisch angezogen hatte: Lucas Hausaufgabenheft ragte ein kleines Stück aus der Schultasche heraus und schien nur darauf zu warten, dass er es an sich nahm!
Finns Hand zuckte vor. Das war die Gelegenheit! So eine Chance konnte er sich doch nicht einfach entgehen lassen!
Oder?
Seine Finger berührten schon fast das Heft, als sich plötzlich sein Gewissen meldete.
Spinnst du?
, hörte Finn ein feines Stimmchen fragen.
Luca vertraut dir! Wie kannst du auch nur eine einzige Sekunde ernsthaft darüber nachdenken, deinen Freund, deinen Bruder, deinen Mitbewohner zu hintergehen?!
Sei doch nicht dumm
, meldete sich plötzlich eine andere, etwas kräftigere Stimme.
Luca merkt doch gar nichts davon.
Darum geht es doch gar nicht
, sagte die erste Stimme.
Es ist nicht richtig, das Heft einfach zu nehmen.
Warum denn nicht?
, sagte die zweite Stimme.
Wenn Luca so doof ist und das Heft nicht richtig in seine Schultasche steckt, hat er doch selbst Schuld!
Es geht doch gar nicht um Luca – es geht um Finn!
Genau, um Finns Hausaufgaben. Die muss er heute noch machen, aber ohne Hilfe schafft er das niemals!
Das ist doch keine Hilfe, wenn er das Heft von Luca klaut und die Aufgaben abschreibt! Ohne, dass Luca davon weiß!
Wenn Luca ihn nicht freiwillig abschreiben lässt …
Finn schaute auf seine Uhr.
«Sorry, Leute», sagte er leise zu den beiden Stimmen. «Ich würde euch ja gern weiter zuhören, aber ich muss jetzt zum Training.»
Finn ließ das Heft in Lucas Schultasche stecken und verließ das Zimmer. Er lief den Gang entlang und war schon fast an der Treppe angekommen, als er selbst das Klackern seiner Stollen hörte. Erschrocken blieb er stehen und horchte, doch Steffi hatte ihn scheinbar noch nicht bemerkt. Schnell zog er die Fußballschuhe aus und lief auf Socken die Stufen hinunter.
Als er sich auf einen Stuhl neben der Eingangstür setzte, um die Schuhe wieder anzuziehen, spürte er plötzlich Steffis Blicke.
«Glaubst du wirklich, ich hätte dich nicht gehört?», fragte sie.
«Aber du kannst es mir nicht beweisen!», antwortete Finn, ohne aufzublicken. Über sein Gesicht huschte jedoch ein verstohlenes Grinsen. Doch auch das entging der Betreuerin nicht.
«Du hast gar nichts verstanden, oder?», sagte Steffi. Ihre Stimme klang nicht böse oder verärgert, sondern enttäuscht. «Es geht doch nicht darum, ob ich dir etwas beweisen kann. Es geht um dich! Du sollst nicht mit Fußballschuhendurch das Haus laufen, weil du ausrutschen und dich verletzen könntest! Außerdem ist dies dein Zuhause. Findest du es wirklich schön, wenn hier überall der Dreck vom Fußballplatz herumliegt?»
Finn schaute sich in der Eingangshalle um. Er war offenbar nicht der Einzige, der mit Fußballschuhen durch das Haus lief. Der Fußboden sah aus wie eine Wiese, auf der sich eine ganze Horde Maulwürfe ausgetobt hatte.
«Das war ich nicht», sagte er.
«Und der Dreck auf eurem Balkon, das warst du auch nicht? Die Reinmachefrau hat sich beschwert.»
Finn biss sich auf die Lippen und schwieg.
«Dann war das also Luca? Ein anderer kommt ja nicht in Frage. Oder?»
«Dennis», sagte Finn. «Dem traue ich alles zu!»
«Du willst du mir doch nicht weismachen, dass Dennis in euer Zimmer eingebrochen ist, um seinen Dreck auf eurem Balkon zu entsorgen?!»
«Das war der Wind», sagte Finn. «Dennis wohnt doch in dem Zimmer neben uns. Er hat seine Schuhe auf dem Balkon sauber geklopft, und der Dreck ist dann zu uns rübergeweht!»
«Das glaubst du doch wohl selbst nicht!»
«Beweise mir das Gegenteil», sagte Finn und verließ das Internatsgebäude.
«Es ist immer besser, wenn man zu dem steht, was man gemacht hat. Irgendwann wirst du das auch einsehen», hörte er Steffi noch rufen, bevor die Tür hinter ihm ins Schloss fiel.
Ja, sicher!, dachte Finn bitter. Was es bringt, ehrlich zu sein, hatte er zur Genüge durch seinen Vater erfahren. Der hatte es nie gewürdigt, wenn Finn offen zugegeben hatte, Mist gebaut zu haben, sondern ihn trotzdem jedes Mal bestraft. Gnadenlos. Irgendwann hatte Finn zu den Vorwürfen dann nur noch geschwiegen oder alles abgestritten. Es machte keinen Unterschied, aber Finn hatte so wenigstens nicht mehr das Gefühl, dass er daran auch noch selbst schuld war.
Auf dem
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