Fyrgar - Volk Des Feuers
trug nicht die Farben Barasties, sondern Hasads. Dennoch war sein unangemeldeter Auftritt zu dieser Zeit nicht ungewöhnlich.
Réando schaute hoch zum Fenster. »Wie jeden Tag ist er pünktlich«, murmelte er. Er erhob sich und ging dem Herold entgegen, der einen vollendeten Bückling vorführte und in leicht gebeugter Haltung stehen blieb. Sein Blick von unten heraufbekam dadurch etwas Verschlagenes.
»Hochedler Fürst, seid Ihr zu einer Entscheidung gekommen?«, fragte er unumwunden. In den vergangenen drei Tagen hatte er noch geschraubte Floskeln benutzt, doch inzwischen schien ihn die ununterbrochene Warterei auf der Bank vor dem Eingang zu ermüden. Réando hatte ihm kein Gastzimmer zugewiesen, sondern ihn auf den Warteplatz verbannt. Die Wut des Mannes stieg sicherlich von Stunde zu Stunde, und dementsprechend nahm er auch zusehends seine devote Haltung zurück.
»Drei Tage«, sagte der Fürst ruhig, jedoch deutlich von oben herab. »Dies ist meine Antwort für heute, und nun geh.«
»Ich weiß, Ihr werdet die Frist wahren«, zischelte der Herold in mühsam unterdrücktem Zorn und verbeugte sich tief.
»Bis zur letzten Stunde, wie ich es jeden Tag verkünde«, erklärte Réando und wandte sich ab.
Der Herold verließ in gebeugter Haltung rückwärts gehend den Thronsaal, und die Flügel schlossen sich wieder mit lautem Hall.
»Wir sollten bis dahin darum beten, dass dein Plan aufgeht, Tochter«, sagte der Fürst in einer Mischung aus Hoffnung und Furcht. »Wenn Lýtir nicht rechtzeitig zurückkehrt, gehen wir nach meinem Plan vor, und du wirst gehorchen.«
»Gewiss, Vater.« Ihre Augen wurden eng, die Lippen schmal, das Gesicht starr.
Selbst für einen Schmied war die Hitze hier unten unerträglich. Der Berg umschloss ihn mit schwarzen, rauen Kanten und mit schwerem, massivem Gestein. Kostbare Glutsteinadern gab es hier, die silbergrau glitzerten, und edle Metalle und Kristalle. Ein reicher Berg, den zu besitzen Barastie sich rühmen konnte, und ebenso, ihn zu beherrschen. Durch die dicken Adern floss träges Leben, das sich stauen und in tödlicher Gewalt ausbrechen könnte ... doch der Vulkan schlief seit Jahrtausenden, sein Krater war leer, von hoch aufragenden, gezackten Felsfingern umgeben, die noch nie jemand bestiegen hatte. Der letzte König von Luvgar hatte den gewaltigen Berg einst bezwungen und befriedet, und das hielt noch immer an.
»Ein gesundes Herz braucht freie Adern, um das Blut kraftvoll hindurchzupumpen«, sollte er einst gesagt haben, wie in den Chroniken stand. »Nichts wird den ewigen Fluss der Lava hier stören, nichts ihn stauen, und so wird der Berg ruhen und träumen wie das Universum dort draußen.«
Die Herrscher von Barastie nahmen für sich in Anspruch, bis heute das Geheimnis zu bewahren, wie der Schlafende Vulkan im Zaum gehalten wurde. Auch das mochte ein Grund sein, weswegen kein anderes Reich es bisher gewagt hatte, hier anzugreifen. Niemand glaubte zwar so recht daran, aber genauso wenig wollte jemand Gefahr laufen, sich zu irren. Wenn die Fürsten tatsächlich über die Fähigkeit verfügten, den Vulkan zu wecken, dann bedeutete das den Untergang jedes Angreifers. Die Felsenfestung würde dabei vermutlich nahezu unbeschadet bleiben, sie war sehr sicher gebaut; die wichtigsten Gebäude lagen alle im Inneren des Massivs.
Aber genau darauf hat Saranla es abgesehen und begründet dies mit ihrem scheinbaren Anspruch aufgrund ihrer Abstammung, dachte Lýtir, während er langsam weiterging. Längst hatte er das meiste von seiner Kleidung abgelegt, Schweiß rann ihm in Bächen über die muskulöse, glatte Brust. Der Stoff des Hemdes und der Beinkleider troff vor Schweiß, Bart und Haare sträubten sich in der ausdörrenden Hitze.
Das aus den Lavaadern strömende rötlich dämmrige Licht flackerte und warf schaurige Schatten, noch schwärzer als die Wände. Luftlöcher und Kavernen pumpten heiße Luft durch die Gänge, die das Atmen noch mehr erschwerte und die Ohren mit geschwätzigem Gesäusel peinigte. Aus tiefer gelegenen Höhlen stiegen grüne und gelbe Schwaden auf, Wasser dampfte zischend durch poröse Löcher aus Quellkuhlen.
Der Gedanke, dass die Fürstin von Hasad sich auf den Thron von Barastie setzen würde, war für Lýtir unerträglich, mehr noch als diese Qual hier unten. Gewiss, Hasad war ein reiches Land, es gab kaum Arme dort. Doch die Gesetzgebung war streng, und die Untertanen waren unfrei. Nicht einmal beim einfachen Volk durfte eine Ehe ohne
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