Gabe der Jungfrau
ging zur Tür. »Bringen Sie ihn gesund zurück!«, bat sie mit leiser Stimme und verließ die Badestube.
Der Goldschmied Dietrich Wismeler saß geduldig vor dem Schreibtisch Thomas Müntzers und wartete.
»Langensalza erbittet unsere Hilfe«, erklärte der Reformator kurz und sagte dann: »also, Dietrich, was gibt es so Wichtiges, dass es nicht warten kann?« Müntzers augen blickten den Mann streng, aber neugierig an. Wismeler räusperte sich und erzählte: »Der Bote, der Jäcklein Rohrbach Euren Brief überbringen sollte, ist heute zurückgekehrt.« Fragend sah Müntzer den Goldschmied an.
»Es sieht nicht gut aus, Thomas!«
»Spannt mich nicht auf die Folter, Dietrich, sprecht!«
Im Folgenden erfuhr Müntzer von Wismeler, dass Jäcklein Rohrbach in der Zwischenzeit wie befürchtet gemeinsam mit der Schwarzen Hofmännin plündernd durchs Land zog. Sechstausend Bauern hatten sich ihnen angeschlossen, und kurz vor Ostern lagerten sie in der Nähe der Stadt Weinsberg in Württemberg.
Als sie hörten, dass nur wenige Soldaten auf der nahen Burg Weinsberg weilten, reifte in Rohrbach der Plan, Festung und Stadt einzunehmen. Zuerst versuchte er den Burgherrn Graf Ludwig von Helfenstein zu überzeugen, dieser solle ihm die Burg freiwillig überlassen. Helfenstein ging scheinbar darauf ein, wollte aber nur Zeit schinden, da er auf Verstärkung aus Stuttgart hoffte.
Zu dieser Zeit erhielten die Bauern Nachricht von der Donau, dass dort der adelige Heerführer Georg Truchsess von Waldburg ein Blutbad unter aufständischen angerichtet hatte. Das schreckte Rohrbach und seine Mannen nicht, sondern schürte ihre Wut nur, und sie setzten dem Weinsberger Burgherrn eine letzte Frist, bis zu der er ihnen die Burg übergeben haben sollte. Von Helfenstein aber erlag dem Irrtum, die Stadt und die Burg mit Hilfe der Bürger verteidigen zu können, und er hatte nicht mit dem Verrat einiger Weinsberger Bürger gerechnet, die sich mit Rohrbach verbündeten und den Rebellen die Stadttore öffneten.
Am Ostersonntag stürmten die Bauern die Stadt, verschonten aber die Bürger, die sich in ihren Häusern verschanzten. Schnell war nach der Stadt auch die Burg erobert, und von Helfenstein wurde ebenso wie seine Ritter gefangen genommen. Nur wenigen seiner Männer gelang die Flucht. Die Bauern plünderten die Burg, die Häuser der Geistlichen, das Haus des Schultheiß, des Stadtschreibers und des Bürgermeisters, sowie die Kirche und die Sakristei.
Während die Bauernhorde sich an Wein und Speisen labte, ließ Rohrbach die Gefangenen auf eine große Wiese vor die Stadt bringen und bewachen. Unter ihnen waren auch die Frau des Grafen, sein zweijähriger Sohn sowie ihre Zofen und Dienerinnen. Rasch wurde über die Männer das Todesurteil verhängt, die Frauen und der Knabe hingegen sollten verschont bleiben.
Gemeinsam beratschlagten die Bauernrebellen, wie die Verurteilten zu Tode kommen sollten.
Die Schwarze Hofmännin schlug sogleich vor, die Gefangenen durch die Spieße zu jagen, und die Vorstellung, auf diese Weise grausame Rache an dem ihr verhassten adel nehmen zu können, bereitete ihr sichtlich Vergnügen.
Rohrbach war dagegen, da man seiner ansicht nach Gefangene nicht unehrenhaft abschlachten dürfte und nur schlimmste Verbrechen die Jagd durch die Spieße rechtfertigten.
Es fiel dem Goldschmied schwer, die Fassung zu bewahren, während er nach Worten suchte, um seinen Bericht fortzusetzen.
»Rohrbach wurde überstimmt, und so war es beschlossene Sache: Die Gefangenen sollten durch die Spieße laufen. als die junge Gräfin um Gnade für ihren Mann flehte, riss die Schwarze Hofmännin ihr lachend die Kleider vom Leib und zerrte sie gemeinsam mit ihrem kleinen Sohn auf eine Mistkarre. Zur abschreckung der Obrigkeit sollte die Gräfin auf der Karre durch Heilbronn gefahren werden.
Die Bauern bildeten auf der Wiese vor den Mauern von Weinsberg mit ihren Speeren eine Gasse. Der Hofmusikant Nonnenmacher erlaubte sich einen Scherz und rief: ›Herr Graf, nun spiele ich zu Eurem letzten Tanz auf!‹
Unter Beifall der Bauern wurden die Verurteilten einer nach dem anderen durch die Gasse getrieben, und auch Rohrbach fand nun Gefallen an dieser art der Bestrafung. als schließlich alle Verurteilten tot auf der Wiese lagen, wurden die Leichen geplündert und geschändet.
Besonders grauenvoll verfuhren die Schwarze Hofmännin und Jäcklein Rohrbach mit dem Leichnam des Grafen. Nachdem sie ihm die Kleidung vom Leib gezerrt
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