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Gabriel

Gabriel

Titel: Gabriel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heather Killough-Walden
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auch dieser Sohn zu ihnen passen?
    Daran zweifelte Gabriel nicht. Immer passte er dazu. Und in diesem Moment sorgten auch sie sich nicht ernstlich darum, zumal die kleine Beth derart ansteckend kicherte, dass sie ihm ein tiefes Lachen entlockte, so mühelos, wie man Wasser aus einem Brunnen holte.
    Tristan und Beth gehörten zu den Kindern, die kürzlich infolge der Wirtschaftskrise obdachlos geworden waren. Da das halb verfallene Waisenhaus von Luskentyre vieler Reparaturen bedurfte, hatte Gabriel einen Entschluss gefasst. Statt die wenigen halbwegs wertvollen Einrichtungsgegenstände zu verkaufen und mit dem Erlös die Instandsetzungsarbeiten zu finanzieren, die nur eine Übergangslösung dargestellt hätten, sollte die Gemeinde ein neues Heim bauen. Die Kosten würde er übernehmen.
    Auf den Äußeren Hebriden funktionierte ein solcher Trick besser als anderswo. Die Leute auf Harris und Lewis bildeten eine fest verschworene Gemeinschaft, waren praktisch veranlagt und daran gewöhnt, einander nach Kräften zu helfen. Und so hatte niemand protestiert, als Gabriel Black, Duncans Sohn, vor ein paar Monaten mit seinen ›Ersparnissen‹ und einem Hilfsangebot auf den Inseln eingetroffen war. Ohne mit der Wimper zu zucken, hatten die Einheimischen verkündet, sie würden ihn unterstützen. Das neue Kinderheim war nur eines seiner Projekte, die sich über die ganzen Hebriden erstreckten, aber für ihn das wichtigste.
    Jeden Morgen segelte er mit Stuart Burns im Fischerboot von Ardvey aus los. Nachmittags ergriff er einen Hammer und Nägel und half mit, die Zukunft der Region aufzubauen, die er schon vor langer Zeit zu seiner Heimat erkoren hatte. Das tat er auch jetzt, an diesem Freitagnachmittag.
    Auf Harris waren die Sonntage heilig, daran hielten sich alle. An Sonntagen blieben die Läden geschlossen, und niemand arbeitete. Diese Tage verbrachte Gabriel mit den Kindern. Beth und Tristan belegten ihn mit Beschlag. Wie Kletten klebten sie an ihm, was ihn nicht störte, denn er mochte sie sehr gern.
    Längst hätte er sie adoptiert und auch die anderen Heimkinder, wenn er nur altern würde. So jedoch war es ihm unmöglich. Selbst jung bis in alle Ewigkeit, würde er diese Kinder altern und sterben sehen.
    An seinem linken Bein festgeklammert, forderte Tristan jetzt seine Schwester heraus und behauptete, er würde vor ihr den nächsten Grabstein erreichen. Begeistert ging sie darauf ein, wandte den Kopf von Gabriels rechtem Knie ab und schätzte die Entfernung zum Grab der MacDonalds. Etwa zwanzig Schritte.
    »Das wirst du verlieren, Tris!«, schrie sie grinsend. Auch ihr fehlten einige Zähne. »Dort bin ich vor dir!«
    Gabriel ermutigte die beiden nicht, sondern stapfte einfach weiter. Natürlich behielt Beth recht, sein rechtes Bein kam zu Tristans Leidwesen zuerst bei dem Grabstein an. Aber an die Siege seiner Schwester gewöhnt, überwand der Junge seine Enttäuschung sehr schnell. Für ihre fünf Jahre war sie ziemlich schlau.
    »Black!«
    Gabriel drehte sich zu einem Arbeiter um, der sichtlich besorgt über den Friedhof auf ihn zueilte.
    »Ab mit euch!«, flüsterte Gabe, bückte sich und tätschelte den Kindern die Schulter. »Und lauft nicht zum Sumpf, verstanden?«
    Die Zwillinge nickten, ließen seine Beine los und standen auf, Tristan nur widerstrebend. Dann forderte er seine Schwester zu einem neuen Wettkampf heraus, und die beiden stürmten über den Friedhof davon.
    »Hallo, Timothy«, begrüßte Gabriel den Mann, der vor ihm stehen blieb. »Was gibt’s?«
    »Jemand muss mit den Gläubigern auf dem Festland reden«, erklärte Timothy atemlos. »Allmählich fangen die Leute an, Fragen zu stellen. Sie wollen wissen, was mit deinem Geld ist, mit den Steuern und so.« Hilflos zuckte er die Achseln, nahm seinen Hut ab und spähte nervös über seine Schulter.
    Als Gabe diesem Blick folgte, sah er ganz in der Nähe einen Mann an einer Hauswand stehen, die muskulösen Arme vor der Brust verschränkt. Angus Dougal.
    »Und was für Leute sind das, Timothy?«, fragte Gabriel, ohne die wachsame Gestalt aus den Augen zu lassen.
    Timothys Schweigen verriet ihm alles, was er wissen musste. Offenbar hatte Dougal sich nach dem neuen Inselbewohner erkundigt. Den Einheimischen hatte Gabriel erzählt, er sei Feuerwehrmann in New York gewesen. Sicher fragte sich Angus, wie ein Feuerwehrmann das alles bezahlen konnte. Auch wenn Gabe die Schwierigkeiten in den Griff bekommen würde, die der Mann ihm bereitete – sie waren,

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