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Gabriel

Gabriel

Titel: Gabriel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heather Killough-Walden
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schreien. Ein Blitz, ein Knall, und sie schwebte ein paar Zentimeter über der Couch in dem von ihr gemieteten Cottage in Luskentyre. Verwirrt starrte sie hinab, sank langsam auf die Polster und wurde von der unsichtbaren Macht losgelassen.
    Eine Zeit lang saß sie einfach nur da, benommen, immer noch außer Atem, und sah sich in dem Wohnzimmer um. Stille, düsteres Morgengrauen. Nichts rührte sich in der kalten Luft.
    »Was zum Teufel …« Ihre Stimme bebte, ihr ganzer Körper. Was ist soeben geschehen? Sie fühlte sich allein und ausgeliefert in einer bedrohlich gähnenden Welt. Verzweifelt wollte sie sich an irgendetwas festhalten und vermisste ihren Plüschelefanten Nessie schmerzlicher denn je.
    Schließlich legte sie sich auf das Sofa und zog ihre Knie an die Brust. Da erwachte der Torfkamin an der Wand gegenüber knisternd zum Leben. Juliette schreckte hoch, das Herz schlug ihr bis zum Hals. Doch sie konnte nicht mehr schreien. Sie starrte ins Feuer, spürte die Wärme, die es verbreitete, und sah die Schatten verschwinden. Einige Sekunden lang erwartete sie angespannt, irgendetwas würde passieren.
    Aber alles blieb still. Dann entdeckte sie einen grauen Geschenkkarton am Boden neben dem Kamin mit anthrazitfarbener Seidenschleife. Erst im Flammenschein war er ihr aufgefallen.
    Juliette erhob sich, wankte auf wackeligen Beinen zum Kamin und kniete nieder. Mit zitternden Fingern entfernte sie Geschenkband und Deckel und fand in der Schachtel ein zusammengefaltetes Stück Pergament sowie ihren Plüschelefanten.
    »O Nessie«, wisperte sie, ignorierte die Nachricht und drückte das Plüschtier an ihre Brust. Wie es verschwunden und woher es jetzt gekommen war, konnte sie nicht einmal ahnen. Aber es fühlte sich so weich und vertraut an wie eh und je. Nach einem tiefen Atemzug legte sie es in ihren Schoß und ergriff das Stück Pergament. Mit Fingern, die nicht mehr bebten, entfaltete sie es und las die schöne verschnörkelte Schrift:
     
    Juliette,
    auch ich halte nichts von Schatten. Hoffentlich hilft Ihnen mein Geschenk, sie zu vertreiben.
    Auf bald
    Sam
     
    »Sam?«, stammelte sie. Wie war das möglich? Wie hatte er Nessie finden und in ihr Cottage bringen können, während sie nicht da war?
    Sie kannte die Antwort. Allein schon das Kaminfeuer war ein eindeutiger Hinweis. Trotzdem weigerte sich ihr Verstand, Gabriel und seinen Brüdern zu glauben, dass Samuel Lambent nicht war, was er zu sein schien.
    Sie verbannte alle klaren Gedanken aus ihrem Kopf und drückte Nessie wieder an sich.
    Zwei Stunden später drehte sie das heiße Wasser in der Duschkabine ab, schlang sich ein warmes Badetuch um den Körper und ging ins Schlafzimmer. Inzwischen hatte sie Zeit gefunden, um nachzudenken. Sie fühlte sich immer noch schockiert und leicht benommen. Aber sie hatte die Ereignisse in eine gewisse Perspektive gerückt.
    »Okay«, sagte sie laut, um ihren Gedanken Nachdruck zu verleihen, nahm Nessie vom Bett und strich über eines der Knopfaugen des Elefanten. »Nach menschlichem Ermessen ist es völlig verrückt.« Sie wandte sich zum Fenster und betrachtete die Küstenlinie von Luskentyre. Zu dieser frühen Morgenstunde schimmerte das Meer jenseits des weißen Strandes indigoblau im schwachen Licht. »Aber was wissen die Menschen schon?« Sie dachte an die zahllosen Geheimnisse des Weltalls und schüttelte den Kopf. »So gut wie nichts wissen wir«, erklärte sie ihrem Plüschtier.
    Also könnte es wahr sein, dachte sie. Ich habe diese Supertalente und keine Ahnung, warum. Es sei denn, ich glaube, was Gabriel Black und Eleanore Granger und Uriel behaupten, Christopher Daniels’ Doppelgänger, der sich als der echte Christopher Daniels entpuppt hat.
    Wenn das alles stimmte, war sie ein Sternenengel, ein weiblicher Erzengel, einem der vier Lieblingserzengel zur Gefährtin erschaffen.
    Gabriel zur Gefährtin.
    Immer noch in das Badetuch gehüllt, stieg sie die Treppe hinab, schlenderte ins Wohnzimmer und setzte sich auf das Sofa. Das Kaminfeuer brannte nach wie vor, offenbar von einer übernatürlichen Macht entzündet und in Gang gehalten. Und das erschreckte sie jetzt nicht mehr so sehr.
    Für die Tatsache, dass Sam das Stofftier in ihr Cottage befördert hatte, gab es zwei mögliche Erklärungen. Entweder hatte er ihr Gepäck gestohlen, was sie unwahrscheinlich fand. Oder er war kein Mensch. In letzterem Fall hatten Gabriel und seine Brüder recht. Und nach den unentwegt brennenden Flammen im Kamin zu schließen,

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