Gabun - Roman
Liebhabers vermutlich.
»Ja. Okay«, sagte ich. »Also, tschüss dann.«
»Tschü-üss.«
Alina winkte mir zu, während sie weiter den Bildschirm anschmachtete, als habe der Computer sie gefragt, ob sie ihn heiraten wolle. Vielleicht kann man Computer küssen, und sie verwandeln sich dann in irgendwas. Die Kois fielen mir ein. Hatten am Ende zu viel geküsst. Alinas Winken geriet zu einem Wedeln, sie wedelte mich raus. Wie eine lästige Fliege, dachte ich und war empört. Aus der Empörung schöpfte ich Kraft, ich verharrte in der Drehung.
»Sag mal Alina, also Wessing …«
»Ja?« Alina tippte wieder, die Zunge gegen die Oberlippe gepresst.
»Wie lange ist Wessing eigentlich schon bei euch?«
Alina tippte, das Licht des Bildschirms füllte ihre Augen, als wären es hellblaue Leuchtkörper. Meine Frage wurde angeklickt, weggeführt und hinten in ihrem Gehirn geparkt, weil gerade Sprachzentrum, Motorik und sexuelle Bedürfnisse Alinas gesamte Energie benötigten.
»Alina«, blieb ich dran. »Wie lange ist Gustav schon bei euch.«
Alina nahm ihren Blick vom Bildschirm, sah mich zum ersten Mal an. Ihr Gesichtsausdruck erinnerte an jemanden, dem gerade die U-Bahn vor der Nase weggefahren ist.
»Wessing?«, fragte sie verständnislos.
Das sexuelle Programm. Lief weiter, noch nicht ausgeschaltet. Das älteste und das zäheste.
»Ja, Wessing. Wie lange ist der schon bei Klemm?«
Alina schüttelte den Kopf. »Keine Ahnung. Seit ich hier arbeite, also zwei Jahre, war er zweimal da.«
»Was heißt zweimal da?«
Alina runzelte die Stirn. Der Endorphinspiegel sank.
»Der kommt immer mal für ein paar Wochen, glaube ich. Hilft hier aus.«
»Ist der nicht angestellt?«
»Nein, das geht so. Ist abgesprochen.« Ihre Pupillen wurden klein. »Wieso willst du das denn wissen?« Entzug von Endorphinen. Das älteste Programm der Wirbeltiere bremste das Zentralnervensystem.
»Nur so, Neugier. Also, tschüss dann.«
Alina saugte sich aufs Neue am Bildschirm fest, ihre Augen wurden wieder groß und himmelblau.
»Tschüss, Bernd, mach’s gut. Hast ’n neues Sakko, toll!«
Ich verzichtete auf einen Kommentar. Schloss die Tür von Klemms Büro hinter mir und wanderte an den Schrotthügeln vorbei, zum letzten Mal, dachte ich. Wahrscheinlich hätte ich mich in einen der versifften Kühlschränke verbissen und Monate umsonst hier gearbeitet, wenn ich gewusst hätte, was auf mich zukam.
Als Nächstes setzte ich Wessings Empfehlung um, meinen Subaru zu verkaufen. Ich fuhr zu einem der Billighändler auf der Platte Richtung Wannsee, die einem »Bargeld für Auto« versprachen. An zweien fuhr ich vorbei, sie hatten um diese Zeit, es war später Vormittag, noch nicht auf. Beim dritten stand das Tor offen. Auf dem Hof verrostete eine deprimierende Sammlung von ausrangierten Autos, die Preise mit Rasierschaum auf die Scheiben gemalt. Ich wollte es hinter mich bringen, fuhr auf das Gelände und ging ins Büro, dabei musste ich an einem Pitbullmischling vorbei, der sofort aufsprang und mir einen eisigen Blick zuwarf, ohne einen Ton von sich zu geben, zum Glück war er an einer Kette festgemacht. Im Büro saß ein dunkler Typ mit Dreadlocks vor dem PC . Er speicherte widerstrebend sein Spiel und folgte mir nach draußen. Warf einen Blick auf mein Auto und teilte mir mit, dass der Fahrzeugwert hauptsächlich darin zu sehen wäre, dass noch zwei Monate TÜV drauf waren. Ich erstickte die Beschimpfung meines Subaru, zu der er gleich ansetzen würde, im Keim. Nach allem, was wir miteinander geteilt hatten, hatte ich den Wagen ins Herz geschlossen und wollte nicht, dass ein Fremder sich abfällig über ihn äußerte.
Ich stellte die Killerfrage: »Wie viel?«
Ohne zu handeln – den Spaß gönnte ich dem Kerl nicht, steckte ich die vierhundert Euro ein, die er aus einer Geldtasche herausfingerte, und gab ihm die Papiere und den Fahrzeugbrief. Nahm meine Tasche (gestern gekauft, Segeltuch, schicke Lederappliken) mit den neu erworbenen Klamotten darin vom Rücksitz und verließ den Hof. Den Händlergehilfen mit dem Autoschlüssel in der Hand ließ ich stehen, den Pitbull ebenfalls. Ich habe ein sentimentales Verhältnis zu gewissen Dingen. Zu Gebrauchtem, Benutztem, was meine Spuren trägt. Mein Subaru, stellte ich mir vor, während ich zur S-Bahn-Station trottete, würde bald eine Reise antreten, ostwärts, in ein Land ohne TÜV . Ich wünschte ihm, dass zukünftig eine Familie in ihm fuhr. Wenigstens mein Auto sollte die
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