Gaelen Foley - Amantea - 01
schrie Darius auf und zeigte hinter sich.
„Es folgt uns jemand!“
Lazar drehte sich um und sah eine schlanke Gestalt, die am anderen Ende des Kerkers unter der Tür aufge-
taucht war. Er erkannte sie sogleich und biss die Zähne aufeinander, um nicht aufzustöhnen.
„Was, zum Teufel, tut sie hier?“ ächzte der Vikar.
„Sie?“ rief Darius.
„Ach, das ist jetzt gleichgültig. Ich hole sie“, murmelte Lazars Freund.
Lazar ließ ihn gehen und nutzte den wertvollen Moment, um seine Pistole neu zu laden. Der Vikar eilte an den Zellen vorbei und stieg über den Leichnam des Wärters.
„Signorina Monteverdi, hierher!“ rief er.
„Vikar?“ fragte sie mit einer bebenden Stimme, die an den Kerkerwänden widerhallte.
Das Echo ließ Lazar zusammenzucken.
Wie sollte er ihr jemals wieder in die Augen schauen? Er würde es nicht können. Seine Absicht, hierher zu kommen, um ihre Achtung zu gewinnen, war völlig fehlgeschlagen. Stattdessen hatte er sich vor ihr bloßgestellt.
Es war an der Zeit, das zu tun, was er schon lange hätte tun sollen. Nur noch eine Stunde. Ich brauche nur noch ge- nug Zeit, um sie, den Vikar und den wilden Jungen sicher auf das Schiff zu geleiten. Und dann keine Qualen mehr.
Er steckte die Pistole in das Halfter zurück und ver- schränkte die Arme. Das Gesicht hatte er zur Tür gewandt. Er achtete nicht auf Darius, der ihn fragend ansah. Einen Moment später kehrte der Vikar mit Allegra zurück.
Mit einem Blick stellte Lazar fest, dass sie sein Hemd trug und verzweifelt versuchte, tapfer dreinzuschauen.
Rasch wandte er sich von ihr ab, denn er hätte es nicht ertragen, den Ekel in ihren Augen sehen zu müssen. Es konnte nicht anders sein, sie musste ihn widerwärtig finden.
Ohne weitere Verzögerung schob er den Riegel zurück und stieß die schwere Tür auf. Die Pistole hielt er gezückt im Anschlag. Doch draußen befand sich nur das leere, stauberfüllte Amphitheater, wo er und seine Freunde aus- gebildet worden waren und so oft zu Maliks Unterhaltung hatten bluten müssen.
Über ihm erstreckte sich der klare Nachthimmel, der voller Sterne glitzerte.
Das Hauptgebäude der Festung befand sich ganz in der Nähe. Die Schreie und Rufe, die darin zu hören waren, ließen vermuten, dass Maliks Leiche inzwischen entdeckt
worden war. Eigentlich hätte er erleichtert sein müssen, dass sein Erzfeind tot aber. Aber Lazar fühlte überhaupt nichts – nur Leere.
Gerade als er und seine kleine Gefolgschaft sich auf den Ausgang des Amphitheaters zubewegten, begann die Kanonade. Er hatte beinahe vergessen, dass er seinen Ka- pitänen befohlen hatte, die Stadt zu beschießen und dem Erdboden gleichzumachen.
„Rennt!“ schrie der Vikar.
Der Sand flog in Fontänen vor ihnen in die Luft, wäh- rend sie zum wartenden Schiff hasteten, um Al Khuum der Zerstörung zu überlassen.
18. KAPITEL
Als sie das Schiff erreicht hatten, beobachtete Allegra auf- merksam Lazar, da sie wissen wollte, was in ihm vorging. Eine schreckliche Vorahnung befiel sie. Außer der Tatsa- che, dass er sie überhaupt nicht ansah – er tat sogar so, als gäbe es sie gar nicht-, schien es ihm gut zu gehen.
Sie wusste zwar, dass er völlig erschöpft war, doch nicht einmal ein winziger Riss zeigte sich in den unsichtbaren Mauern, die er so sorgfältig um sich errichtet hatte.
Er stand auf dem Achterdeck und gab eine ganze Reihe von Anweisungen an seine Besatzung aus. Schnell kur- belten die Männer die Ankerwinde hoch, holten die Lan- dungsbrücke ein und kletterten an den Schiffstauen die Masten nach oben, während die riesigen Ruder dazu be- nutzt wurden, um das Schiff aus der Bucht herauszulot- sen.
Geduldig hörte sich Lazar Bernardos unterwürfige Ent- schuldigungen an, vergab ihm großmütig seine Feigheit und schleppte den Vikar zum Krankenlager, wo er wegen eines schweren Schlags auf den Kopf vom Arzt behandelt wurde.
Als Lazar kurz darauf wieder auf dem Oberdeck er- schien, kümmerte er sich darum, dass das Schiff sicher an den Klippen vorbeisegelte und dann den Weg in die warme Strömung des Mittelmeers einschlug.
Er gab Darius ein paar Kleidungsstücke, so dass er die verhassten Gewänder der Barbaresken ausziehen konnte. Allegra bezweifelte allerdings, dass sie dem Jungen besser als ihr passen würden. Lazar hatte ihn daraufhin in die Kombüse geschickt, damit er etwas essen konnte.
Doch bevor der Spanier die Luke hinunterkletterte, rief er ihn noch einmal zurück. Allegra beobachtete im Licht
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