Gaelen Foley - Amantea - 01
den Schultern.
„Sie ist unverletzt. Darius hat sie wenige Momente, be- vor es losging, herausgebracht. Aber, Sir – der Vikar liegt im Sterben ...“
Lazar stürzte bereits davon und fiel beinahe den Nie- dergang hinunter, während er zu seinem Freund eilte.
20. KAPITEL
Allegra traf Lazar am Fuß des Niedergangs auf dem unte- ren Deck. Sie wusste bereits, dass er während des Kampfes nicht verletzt worden war, fürchtete sich aber vor seiner Reaktion, wenn er den Vikar erblicken würde.
Er war schwer verletzt. Seine Brust war offen und blutete so heftig, dass sich alle Bandagen sogleich rot färbten.
„Mir geht es gut“, erklärte sie auf seinen forschenden Blick hin. Er sprang von der Leiter, drängte sich an ihr vorbei und rannte zum Krankenlager. Sie folgte ihm.
„Lazar, warte!“
Er achtete nicht auf sie.
Als er das Krankenlager erreicht hatte, beugte er sich über das Bett des Vikars und schaute seinen Freund voller Entsetzen an.
Allegra eilte zu ihm. Auf einmal schien es, als hätte den Kapitän jegliche Kraft verlassen.
„O mein Gott!“ Er sank auf den Hocker neben dem Sterbebett und blieb bewegungslos sitzen – verloren und erstarrt.
Die rostigen Laternen schwankten knarrend an ihren Haken. Der Vikar atmete ächzend und qualvoll. Der Ton war kaum zu ertragen. Seine Augen waren geschlossen.
„Doktor Raleigh hat alles getan, was in seiner Macht stand“, erklärte Allegra und legte Lazar eine Hand auf die Schulter. „Die gebrochenen Rippen haben seine Lunge durchstoßen.“
Schweigend saß Lazar da. Er ließ die Arme hängen, und sein Gesicht war von Trauer und Erschöpfung gezeichnet.
Allegra wich nicht von seiner Seite. Sie stand hinter ihm und hatte die Arme um ihn gelegt, als der Vikar eine halbe Stunde später entschlief, ohne noch ein Wort von sich ge- geben zu haben. Lazar ließ die Hand des alten Mannes los und ließ seinen Kopf zwischen seine Knie sinken.
Weitere Verluste. Wie soll er das jemals ertragen, fragte sich Allegra verzweifelt.
Tränen liefen ihr über das Gesicht. Sie weinte um den lie- benswürdigen gelehrten Herrn, der gerade gestorben war, jedoch noch mehr um Lazar, dessen tiefer Schmerz ihr ins Herz schnitt.
Der Selbstmord ihrer Mutter hatte sie bereits als Kind gelehrt, dass die Überlebenden, die Zurückbleibenden, diejenigen waren, die am meisten litten. Sie wusste, dass in diesem Moment keine beruhigenden Worte helfen konnten, um Lazars Trauer zu mildern.
Deshalb strich sie ihm nur tröstend über den Rücken.
Schließlich erhob er sich, rieb sich rasch mit dem Arm das Gesicht und wandte sich, ohne ein Wort zu sagen, ab. Allegra zog das blutgetränkte Tuch über das Gesicht des Vikars, als Lazar das Krankenlager verließ. Dann folgte sie ihm in gebührender Entfernung zu seiner Kajüte.
Der Raum zeigte ebenfalls Spuren der Schlacht. Die Tür war zum Teil aus den Scharnieren gebrochen, so dass La- zar sie nicht richtig hinter sich schließen konnte. Allegra hatte das Gefühl, dass er sie verschlossen hätte, wenn es möglich gewesen wäre.
Vorsichtig folgte sie ihm. Eine schreckliche Vorahnung beschlich sie.
Noch immer drehte er sich nicht zu ihr um und wür- digte sie keines Blicks. Schweigend stand er in der Mitte der Kajüte und schaute mit der Miene eines Verlorenen im Raum umher.
Starr betrachtete er die Löcher im Boden, den zertrüm- merten Schreibtisch und die zerborstenen Fensterschei- ben, die in kleinen Splittern überall verteilt waren.
Allegra war an der Tür stehen geblieben und beobachtete ihn mit einer Mischung aus Angst und Besorgnis.
„Was für ein Durcheinander“, sagte er schließlich.
„Wir werden es aufräumen“, erwiderte sie mit gelassener Stimme.
Mit einem Mal bewegte sich Lazar blitzschnell.
Er begann alles, was noch vom Kampf unversehrt ge- blieben war, zu zerstören. Eine Laterne, die zum Glück nicht brannte, warf er durch die noch heilen Heckfens- ter, so dass auch diese zerbrachen. Er schleuderte den Schreibtischstuhl an die Wand, wo er zerbarst. Die Tür
seines Schranks riss er mit einem lauten Gebrüll heraus, und auf den Spiegel trommelte er mit der Faust ein. Seine Handgelenke fingen an zu bluten.
Fassungslos blickte Allegra ihn an. Sie hielt sich schüt- zend die Arme vor das Gesicht. Vor Schrecken hatte sie zu weinen aufgehört. Wie ein Wirbelsturm fegte Lazar durch die Kajüte.
„Warum? Warum auch er? Das ist nicht gerecht!“ tobte er. „Ich habe alles verloren! Es ist nicht fair! Was habe ich
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