Gaelen Foley - Amantea - 01
geschehen.“
Die Soldaten entdeckten sie und eilten auf sie zu. Aber der Fremde befahl ihnen, nicht näher zu kommen. Sie gehorchten.
„Klopfen Sie an die Tür“, flüsterte er in ihr Ohr. „Wenn man Ihnen antwortet, sagen Sie, wer Sie sind.“
Sie rührte sich nicht.
„Allegra.“
„Ich kann nicht“, wimmerte sie. „Ich habe zu große Angst.“
„Sie können es, chérie“, sagte er, ohne die Soldaten aus den Augen zu lassen.
„Hören Sie auf, mich so zu nennen! Wie können Sie es tun, während Sie mir eine Pistole an den Kopf halten?“
Allegra begann zu weinen. Lazar redete sich ein, dass das gut war. Es würde die Wirkung auf die Soldaten noch vergrößern. Doch ihn selbst ließ es verzweifelt werden.
„Ich hasse Sie dafür, was Sie mir antun.“
„Sie schaffen es, Allegra“, sagte er sanft. „Ich werde Sie nicht verletzen. Wir müssen nur diese Soldaten aus dem Weg räumen. Das ist alles.“
„Versprechen Sie mir das?“
„Ich schwöre es“, flüsterte er.
Nun gut.“ Ihr zierlicher Körper zitterte, als sie einen Schritt nach vorn ging und an die massive, mit Eisen be- schlagene Holztür pochte. Allegra erschien ihm auf einmal so verletzlich, dass es ihn schmerzlich berührte.
Er zog sie sogleich wieder zu sich zurück, ehe sie noch Zeit hatte, auf Fluchtgedanken zu kommen. Doch sie zuckte nur zusammen, da sie ihr ganzes Gewicht auf ih- ren verletzten Knöchel gelagert hatte. Schon vernahmen sie die Stimmen der Wachen im Inneren des Turmes.
Allegra sagte mit zitternder Stimme, wer sie sei.
„Wie konnten Sie mir das antun?“ flüsterte sie. „Ich habe Ihnen nie etwas Böses getan. Nie würde ich jemand wehtun.“
Lazar glaubte es. Sein Herz zog sich so schmerzhaft zu-
sammen, als wäre er von einer tödlichen Kugel getroffen worden.
Als sie die Augen wieder schloss, um anscheinend Kraft zu sammeln, betrachtete er ihre wunderschönen Wimpern, deren Spitzen in Gold getaucht zu sein schienen.
„Wenn es Ihnen irgendetwas bedeutet, möchte ich Ih- nen sagen, dass ich meine Seele verkaufen würde, um Sie lieben zu dürfen“, flüsterte er.
„Ich würde Sie aber nicht wollen. Nicht einmal in einer Million Jahren!“
„Ich glaube doch“, erwiderte er.
„Mein Gott, wie sehr ich Sie hasse.“
„Guten Abend, meine Herren“, sagte er mit einer ange- spannten, jedoch freundlichen Stimme zu den Soldaten, welche die Tür geöffnet hatten. „Signorina Monteverdi und ich möchten, dass Sie alle auf die Straße treten. Kommen Sie ruhig heraus, mit den Händen über dem Kopf.“
Innerhalb weniger Minuten hatte er sich mit Allegra im Turm eingeschlossen und die Tür auch noch dadurch ge- sichert, dass er einen Holztisch davor gestellt hatte. Die bunten Spielkarten der Soldaten, die sie vor nur wenigen Momenten liegen gelassen hatten, lagen jetzt verstreut auf dem Fußboden.
„Sie sind wahnsinnig!“ schrie Allegra ihn an und warf die Hände hoch. „Begreifen Sie denn nicht, dass man Sie hängen wird? Sobald Sie aus dieser Tür treten, sind Sie ein toter Mann.“
Er lächelte. „Wie nett von Ihnen, dass Sie sich Sorgen um mich machen.“ Er steckte seine Pistole ein, nahm Al- legra an die Hand und zerrte sie mit sich die steinerne Wendeltreppe nach oben, wobei er zwei Stufen auf einmal nahm.
Die Luft im Turm war stickig. Als sie oben ankamen, waren beide außer Atem. Er sah sich in dem kleinen Raum um, dessen Fenster Blick zum Meer hatten. Im Zimmer befanden sich nur ein grober Holztisch, zwei Bänke, die nachlässig zurückgeschoben worden waren, und ein paar Laternen, die an eisernen Haken hingen.
Lazar blies die Lichter aus, nur eine Laterne brannte noch, da er es vorzog, im Halbdunkel zu verweilen, falls die Soldaten daran dachten, ihn auf dem Turm zu beschießen.
In der Mitte des Raums befand sich die große Kurbel für das östliche Stadttor. Das Rad war der Mittelpunkt einer komplizierten Anordnung von Flaschenzügen und Ketten, die das Tor öffneten und schlossen.
Lazar ließ Allegras Hand los, ging zu der Kurbel und drückte seine Schulter dagegen. Gewöhnlich wären zwei oder drei Männer nötig gewesen, um das Rad in Gang zu setzen, doch er würde es nun ganz allein machen müssen.
Allegra blickte ihn bleich und seltsam gelassen an. Als sie das erste Ächzen des Stadttores vernahm, zuckte sie zusammen.
„Wer sind Sie?“ fragte sie ihn, als er sich mit seinem ganzen Gewicht gegen die Kurbel warf. Sogleich platzte die Wunde an seinem Arm.
Er fluchte leise
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