Gaelen Foley - Amantea - 01
Sie?“
„Ich habe es Ihnen bereits gesagt“, erwiderte er unge- duldig. Nachdem er das Tor zur Hälfte geöffnet hatte, ver- ankerte er die Kurbel so, dass sie sich nicht von selbst zurückdrehen konnte. Er ging zu Allegra und wies auf die Bucht und die Straße. „Der Tag der Rache ist gekommen, Signorina Monteverdi. Sehen Sie?“
Die ersten Reihen seiner Männer waren nur noch etwa eine Viertelmeile entfernt. Er konnte sie gerade erkennen und verspürte einen großen Stolz, wie sie so schweigend heranmarschierten, obwohl es so viele waren. Keiner trug eine Fackel bei sich.
ln der ersten Gruppe befanden sich zweihundert, die er wegen ihrer Fertigkeiten im Kampf Mann gegen Mann aus- gewählt hatte. Es waren die Veteranen, denen man trauen konnte, dass sie sich an Lazars Anweisungen selbst in der Hitze des Gefechts halten würden.
Diesmal würde sich das Massaker von Antigua nicht wie- derholen, dessen war er sich sicher. Die Männer würden ei- nen kühlen Kopf bewahren. Er war davon überzeugt, dass er es selbst den dumpfesten Kerlen deutlich gemacht hatte, dass jeder, der sich nicht an die Regeln hielt, erschossen wurde.
Ordnung bedeutete alles.
Das hatte ihm Antigua gezeigt.
Nachdem die erste Truppe in Klein-Genua eingedrun- gen war, würden seine übrigen Männer in drei aufeinander folgenden Wellen von jeweils zweihundert Mann Stärke folgen. Zweihundert blieben zurück, um die Schiffe zu verteidigen und Ausschau zu halten.
Genua befand sich nur fünfzig Meilen auf der ande- ren Seite der Bucht und besaß eine mächtige Flotte mit gut ausgebildeten Soldaten. Er nahm an, dass die Schiffe sechs Stunden brauchen würden, um nach Amantea zu ge- langen, nachdem sie den ersten Kanonendonner vernom- men hatten. Doch dann würden er und seine Anhänger schon lange verschwunden sein. Die Flotte würde eintref-
fen und das ganze Regierungsviertel in Schutt und Asche sehen.
„Mein Gott, es ist ein Aufstand“, flüsterte sie entsetzt und sah ihn an. „Sie führen die Bauern an und wollen mei- nen Vater stürzen. Sie haben die Leute hierher gebracht, um uns in unseren Betten zu ermorden. Und Sie benutzen die Geschichte über den verschollenen Prinzen, damit die Leute Ihnen folgen.“
„Falsch.“ Er nahm sie auf die Arme und trug sie zum Tisch zurück, wo er sie niedersetzte. Allegra war zu ver- blüfft, um zu protestieren. „Was für eine Geschichte soll das überhaupt sein, von der jedermann spricht?“ fragte er, als er zu der Kurbel zurückkehrte.
Ihr Gesicht war bleich und ihre dunklen Augen vor Ent- setzen verschleiert. „Das wissen Sie ganz genau“, sagte sie leise. „Die Hoffnung dieser armen, geschundenen Leute ist es, dass Prinz Lazar damals nicht gestorben ist. Dass er irgendwie überlebte, als ihn die Schurken am Kliff in die Enge trieben und ihn dazu zwangen, ins Meer zu sprin- gen. Dass er irgendwo im Verborgenen aufgewachsen ist und eines Tages zurückkehren wird, um Amantea den Ge- nuesen wieder zu entreißen und die Herrschaft der großen Fiori fortzusetzen.“
Einen Moment lang sah Lazar sie ungläubig an.
„Das ist lächerlich“, stieß er schließlich hervor.
Zornig warf er sich gegen die Kurbel, und Zoll um Zoll öffnete sich das riesige Osttor weiter.
„Der Tod dieses armen Jungen war eine Tragödie“, er- klärte sie leidenschaftlich. „Wenn Sie ein wirklicher Pa- triot wären, würden Sie und Ihre schäbige Horde nicht die Hoffnung unseres Volkes benutzen, um selbst an die Macht zu gelangen.“
„Ich bin nicht an der Macht interessiert“, erklärte er.
Seine Arme zitterten vor Anstrengung, als er schließ- lich die große Kurbel ganz herumgedreht hatte. Sein lin- ker Arm brannte und blutete durch den Satin, doch sein Herz klopfte vor Aufregung.
Genau rechtzeitig war Klein-Genua geöffnet worden und damit angreifbar.
Monteverdi war in seinen Händen.
„Sie sind ein Betrüger“, flüsterte Allegra. „Sie sind nicht mein Lazar.“
Er sah zu ihr. „Ihr Lazar?“
„Niemand wird Ihnen glauben. Sie sind kein Prinz.“
„Woher sollte ich dann von den unterirdischen Gängen wissen?“
„Sie haben sie irgendwie gefunden. Das war nur eine weitere List. Wie Ihr Charme, den Sie anwandten, um mich davon abzuhalten, die Wachen zu rufen. Sie sind klug ge- nug – ohne Zweifel. Aber Sie haben kein Gewissen und keine Achtung vor den Fiori, vor Amantea, vor mir oder vor sonst jemand.“
„Still!“ befahl er kurz angebunden.
„Nicht einmal vor sich selbst. Sie sind
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