Gaelen Foley - Amantea - 01
sich ein, dass Sully natürlich Recht hatte. Noch vergangene Woche hatte er geschworen, dass er per- sönlich jedem Mitglied der Monteverdi-Familie eine Ku- gel durch den Kopf jagen würde. Noch vor drei Tagen war er gierig auf ihr Blut gewesen – wie auch die Geister in seinen Träumen nach Rache schrien.
Er wurde das quälende Gefühl nicht los, dass sein wach- sendes Unbehagen von dem Mädchen herrührte, das ihn ganz aus dem inneren Gleichgewicht gebracht hatte. Er hatte beabsichtigt, sie genauso einsam zu machen, wie er es für lange Zeit gewesen war, doch er brachte es nicht über sich.
Zum Teufel mit ihr, dachte er verärgert. Wenn sie Ver- stand besaß, würde sie sich glücklich schätzen, dass er sie als Einzige verschonte.
Er ging die Treppe des Palazzo auf die belebte Piazza hinunter. Auf einmal vernahm er einen lauten Schrei. Ein Mann rannte wild gestikulierend auf ihn zu. Ohne nach- zudenken, griff er nach seiner Pistole und richtete sie auf den Fremden.
„Halt!“ befahl er.
Der Mann blieb stehen und warf sich auf den Boden, wobei er etwas Unverständliches murmelte. Zwei Piraten stürzten sich auf ihn und zogen ihn an den Armen hoch. Lazar runzelte die Stirn und ging zu dem Burschen, der schlaff zwischen seinen Männern hing.
„Wer ist das?“
„Er behauptet, Ihr Diener zu sein, Kapitän.“
„Das bin ich auch! Ich muss mit Ihnen sprechen, mein König. Es ist wichtig.“
„Du bist ein Wahnsinniger, das ist alles“, sagte einer der Piraten und zog ihn grob am Arm. „Er ist nicht dein verdammter König.“
Als der zerlumpte, doch kräftige Mann ehrerbietig zu Lazar aufsah, stellte dieser fest, dass es sich um den schmutzigen Gitarrenspieler von der Nacht zuvor han- delte.
„Oh, du bist es wieder.“ Er seufzte. „Was gibt es?“
Der Mann schien sich darum zu bemühen, seinen Blick bescheiden nach unten zu senken, doch er sah Lazar immer wieder bittend an.
Auf einmal begriff Lazar. Der Musiker wollte ihnen bei- treten. Wo immer sie anhielten, gab es Streuner – mutige, vom geraden Pfad abgekommene Kerle –, die sich nach Abenteuern sehnten, Gold finden oder sich dem Gesetz entziehen wollten. Dieser Mann schien zu Letzteren zu ge- hören. Gleich darauf jedoch wurde Lazar klar, wie weit ab von seiner Vermutung das Anliegen des Gitarrenspielers tatsächlich war.
„Wir versammeln uns alle vor der Stadtmauer, mein Lehnsherr“, eröffnete er Lazar. Eifer glühte in seinen klei- nen Augen. „Euer Volk kommt aus ganz Amantea, um Euch zu begrüßen.“
„Was?“
Auf einmal fiel der Mann auf die Knie und legte das Gesicht auf das Kopfsteinpflaster. Die zwei Piraten sahen zuerst ihn, dann Lazar verblüfft an.
„Gott im Himmel sei Dank für diesen Tag, Eure Majes- tät“, rief er. „Möge die Sonne auf ewig Eure Herrschaft segnen.“
Lazar wurde aus seiner Erstarrung gerissen, als die zwei Piraten zu lachen begannen. Er wurde blass.
„Der ist verrückt!“ grölte der eine.
„Eure Majestät?“ röhrte der andere. „Denkt wohl, er redet mit einem Pharao.“
So geschmeidig wie ein Panter ließ sich Lazar zu dem Mann nieder. „Steh auf“, sagte er mit leiser, drohender Stimme. „Wer bist du? Wer hat dich gesandt?“
Der Mann sah auf. „Niemand hat mich gesandt, Herr. Ich bin Bernardo aus St. Eilion an der Südküste. Ich bin ein Musikant. Ich habe die Hoffnung des Volks auf Eure Rückkehr mit Geschichten lebendig gehalten.“ Er senkte den Kopf. „Mein Vater kämpfte mit König Alphonso am Tag der Heiligen Teresa. Ich weiß, dass wir solchen Ruhm wieder erleben dürfen. Noch größere Triumphe werden uns bevorstehen, nachdem nun Eure Majestät zurückgekehrt ist. Ihr habt den verhassten Genueser Feind in die Flucht geschlagen.“
Lazar spürte nur noch, dass er wie betäubt war. Ir- gendwo hinter dieser Betäubung lag Angst. Wie, zum Teufel, konnten diese Leute wissen, wer er war?
Seine Männer hatten keine Ahnung und würden es auch niemals glauben, dass er in Wahrheit ein Prinz war. Die
starrköpfigen Leute auf Amantea jedoch weigerten sich, anzuerkennen, dass er inzwischen ein Pirat geworden war. Von dem Prinzen in ihm war nichts mehr übrig geblieben.
Die Männer begannen, sich über den armen, lächerlich wirkenden Barden lustig zu machen, der ihnen daraufhin entrüstete Blicke zuwarf.
„Vergebt mir, mein König, aber diese Gauner wissen nicht, wie sie Eurer Majestät Ehre erweisen sollen. Wenn ich so offen sein darf – ich würde Euch mit viel größerem
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