Gaelen Foley - Amantea - 01
Piratentums wegen. Aber sie würde ihm niemals vergeben, dass er sich als der Prinz, der er in Wirklichkeit war, von seinem Volk abgewandt hatte.
Er konnte ihr nicht erklären, warum er nicht in der Lage war, nach Amantea zurückzukehren. Das war ein Geheim- nis, das er ins Grab mitnehmen würde. Es war sinnlos, darüber nachzudenken.
Überhaupt war alles recht sinnlos. Und es tat ihm unendlich weh.
Lazar blickte finster und zornig auf das helle Meer. Da- bei trank er beinahe die ganze Flasche Sherry, um seinen Schmerz zu betäuben. Eine halbe Stunde später war er betrunken und froh darüber.
Ein ausgezeichneter Tropfen, dachte er träge, als er in die Kajüte zurückschwankte und sich erschöpft in den Sessel fallen ließ. Es war viel klüger, nichts wirklich ernst zu nehmen.
Er legte seinen Kopf auf die Rückenlehne, und Bilder von jenem üblen Ort drängten sich ihm auf.
Immer wenn er an Al Khuum dachte, schien sich sein Verstand seltsam zu umnebeln wie im Opiumrausch. Doch gewisse Erinnerungen waren merkwürdig klar. Ma- lik hatte eine ausgezeichnete Art gefunden, wie er seinen unbeugsamsten Sklaven ruhig halten konnte.
Man musste ihn nur von Opium abhängig machen. Eine ausgezeichnete Idee.
Manchmal verlangte es ihn auch jetzt noch danach. An- gewidert von sich selbst verzog er den Mund und starrte bitter in die Leere. Dann nahm er einen letzten Schluck aus der Flasche und stützte den Kopf mit der Hand ab.
Da bemerkte Lazar auf einmal, dass die immer länger werdenden Schatten in seiner Kajüte seltsam bunte Farben annahmen – rotbraun, olivgrün, dunkellila, erdbraun. Die schmutzige Schiffskatze hockte auf seinem Schreibtisch und sah ihn aus glühenden Augen an.
„Was, zum Teufel, willst du?“ fragte er missmutig.
Die Katze machte sich rasch davon, da sie seine düstere Stimmung spürte.
Er schloss die Augen. Sein verwirrter Verstand brachte ihn immer wieder nach Al Khuum zurück.
Wie hübsch es dort war! Hohe weiße Bögen, bunte Ka- cheln, das Plätschern des Alabasterbrunnens. Wie herr- lich es war, das Wasser während der scheinbar endlosen Nachmittage in der Wüste zu hören! Eine wunderschöne Hölle.
Der Muezzin mit seiner hohen Stimme, welche die Gläu- bigen zum Gebet rief, die zarte melodische Musik der Oud in der Kühle der Nacht, an seiner Schläfe Maliks Pistole, die ihn auf die Knie zwang.
Ein Zittern lief durch Lazars Körper, und er drückte bei dieser Erinnerung die Augen noch fester zu.
Was Allegra wohl denken würde, wenn sie erführe, was wirklich aus ihrem geliebten jungen Prinzen geworden war? Ein verzerrtes Lächeln huschte über sein Gesicht. Er wünschte, er hätte noch immer seinen Siegelring, um damit ihre Zweifel zu zerstreuen.
Einmal, vor langer Zeit, hatte er einen Beweis gehabt, der zeigte, dass er von edler Herkunft war.
Sein Siegelring mit dem wilden Onyxlöwen, dessen Auge aus einem Rubin aus dem Griff von Excelsior stammte – eine uralte Tradition der Fiori. Die Fassung war leer ge- blieben und wäre erst wieder gefüllt worden, wenn er als neuer König den Thron bestiegen hätte.
In den folgenden Jahren hätte er irgendwann einmal ei- nen Edelstein aus dem Griff des Schwerts genommen und ihn in den Ring seines Erben setzen lassen.
Aber diese Abfolge war unterbrochen worden.
Der Ring – das letzte Zeichen seiner Identität – wurde ihm zusammen mit seinem Glauben, seinem Stolz und sei- ner Selbstachtung geraubt. Sayf-del-Malik, der „Schwert der Ehre“ genannt wurde, besaß ihn nun, es war eine Tro- phäe von dem jungen Prinzen, den seine Korsaren halb tot aus dem Meer gefischt und zu ihrem Herrn gebracht hatten.
Ganz gleich, wie viel es ihn kosten würde – niemals mehr wollte er dorthin zurückkehren.
Allegra stieß einen Seufzer aus. Müde rieb sie sich den Nacken und bemerkte, dass die Laterne immer schwächer brannte. In ihrem Bemühen, die Wahrheit herauszufinden, hatte sie den Tag damit verbracht, wozu Lazar ihr geraten hatte.
Sie war in den schwach erleuchteten, voll gestopften La- gerraum gegangen und hatte sich durch Kisten mit stau- bigen Papieren gekämpft, die Lazar aus dem Haus ihres Vaters gestohlen hatte.
Während der letzten Stunden hatte sie mehr über den Fremden, der ihr Vater gewesen war, erfahren, als wenn sie
beide den Rest ihres Lebens auf Amantea verbracht und sich täglich gesehen hätten.
Was sie fand, gefiel ihr gar nicht. Wie schmerzhaft war es, so rasch nach Vaters Tod herausfinden zu müssen, dass er sich
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