Gaelen Foley - Amantea - 02
Calazzi an der offenen Tür und sah ihm nach. Er drehte sich noch ein- mal zu ihr um und winkte. Sie hob die Hand als Erwiderung und wusste in diesem Moment, dass sie ihn haben musste.
20. KAPITEL
Die Mauern, die um das Grundstück des gelben Herrenhau- ses errichtet worden waren, schienen ihn und Serafina ein- mal beschützt zu haben. Hier hatten sie ihre Zuflucht vor der rauen Welt gefunden. Doch eine Woche nach ihrer raschen Eheschließung kamen Darius die Mauern wie die Wände einer Gefängniszelle vor. Er saß in der Falle.
Ich muss hier heraus.
Darius lenkte sein Pferd durch den morgendlichen Ne- bel. Ventos täglicher Ausritt bestand aus einer Runde um das Anwesen. Während Pferd und Reiter dahingaloppier- ten, glitten die grauen Steingebilde wie ein Zeichen seiner Gefangenschaft an ihnen vorüber.
Das Verhältnis zu Serafina war unverändert schlecht: Sie sprachen kaum miteinander, und wenn sie ein Wort wech- selten, dann geschah es mit kalter Höflichkeit. Früher war es von Vorteil gewesen, dass sie einander so ähnlich waren. Doch nun führte ihr Stolz nur dazu, dass sie beide darauf warteten, ob der andere als Erster Worte der Entschuldigung fand oder diese Ehefarce beendete.
Die Lage im Land war auch nicht besser. Frankreich hatte Amantea den Krieg erklärt. Mehrere Schiffe der französisch- spanischen Marine bildeten eine Blockadelinie und warteten darauf, dass Villeneuve eintraf.
Die königlichen Fregatten waren zur Verteidigung der In- sel ausgelaufen. Bisher war jedoch noch kein Schuss gefallen. Die Gegner beobachteten sich nur misstrauisch – ähnlich wie in Darius’ Ehe.
Angestrengt arbeiteten die Diplomaten daran, eine fried- liche Lösung zu finden, doch die ganze Insel war durch die Blockade lahm gelegt. Das Parlament hatte Notratio- nierung der Lebensmittel verordnet und für die Städte eine Ausgangssperre verhängt. Man behauptete, dass der König unbedingt angreifen wollte.
Darius konnte sich gut vorstellen, wie Lazar sich nach ei-
nem würdigen Gegner sehnte, dem er seinen ganzen Hass entgegenschleudern konnte.
Die Franzosen verlangten, dass ihnen Darius ausgeliefert wurde, doch der König von Amantea weigerte sich strikt. Es gab keinen Beweis außer dem Wort einer rachsüchtigen Verräterin, dass der Attentäter tatsächlich Darius Santiago war.
Lazar hatte sich über diese Beschuldigung äußerst empört gezeigt und sich selbst sowie ein Dutzend der höchsten Ade- ligen des Landes für Darius verbürgt. Und wer würde wagen, König Lazar di Fiore einen Lügner zu nennen?
Darius wusste, dass Lazar ihn noch immer als einen verab- scheuungswürdigen Verführer unschuldiger Frauen sah. Die Bürgschaft des Königs erfolgte nur aus politischen Gründen oder vielleicht auch, um seine Tochter zu beschützen.
Vor zwei Tagen jedoch hatte Darius sich für eine Weile wie- der belebt gefühlt. Sein Freund Sir James Richards, ein engli- scher Agent, hatte ihm geschrieben. Richards, der sich gerade in Sizilien aufhielt, wies Darius darauf hin, dass Tjurinow die Gegend vielleicht doch noch nicht verlassen hatte.
Anscheinend lag das Schiff des glorreichen Anatol im Ha- fen von Malta vor Anker. Jemand hatte ihn gewarnt, Zar Alexander sollte den Befehl erteilt haben, Tjurinow bei seiner Rückkehr nach Moskau gefangen zu nehmen. Anatol selbst war schon seit zwei Tagen nicht mehr gesehen worden.
Richards hatte Darius auch eingeladen, ihn auf Sizilien zu besuchen, wenn er an einem reizvollen Unternehmen teil- nehmen wollte. Darius konnte sich nicht vorstellen, worum es sich handelte. Doch er sehnte sich danach, sich anderswo irgendeiner Aufgabe zu widmen.
Richards war ein ausgezeichneter Agent und Waffenex- perte, der zweifelsohne etwas Faszinierendes vorhatte. Auch jetzt dachte Darius daran, während er sein Pferd zum Ste- hen brachte. Er schaute auf die Wiese und den See hinab, wo Serafina und er einmal in glücklicher Stimmung ein Pick- nick gemacht hatten. Es schienen seitdem bereits Ewigkeiten vergangen zu sein.
Ich sollte Richards aufsuchen, nahm er sich vor. Was gab es noch für einen Grund, hier zu bleiben? Bei den seltenen Ge- legenheiten, bei denen Serafina ihm einen Blick gönnte, war Verbitterung und Zorn darin zu erkennen. Er wusste, dass sie ihn verachtete, aber was konnte er dagegen tun?
Er fühlte sich gelähmt, hilflos und niedergeschlagen.
Mein Gott, was hatte er mit seinem Leben angestellt? Er hatte schon immer gewusst, dass Serafina di Fiore eines Ta- ges seinen Ruin
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