Gaelen Foley - Amantea - 02
sich zu ihr hinunter. Mit einer seltsamen Zärtlichkeit umfasste er ihr Gesicht. „Wie traurig, hübsche Julia.“ Sanft sah er sie an. „Vielleicht haben Sie es bereits vergessen, aber ich weiß, dass Sie eine ganz besondere Frau sind. Bleiben Sie hier. Ich werde den Arzt zu Ihnen schicken, damit er sich um Sie kümmert.“
Er küsste sie auf die Stirn und ging.
Um sechs Uhr am selben Abend erreichten die Kutsche und die Reiter eine kleine Kirche, die drei Meilen westlich vom Landgut mit dem gelben Haus lag.
Die Achsen quietschten, als das Gefährt anhielt. Pia sah ihre Herrin unsicher an. Serafina sagte nichts, sondern blickte nur starr vor sich hin. Auf einmal wurde der Kutschenschlag aufgerissen, und Darius stand draußen.
„Raus!“ befahl er der Zofe.
Nachdem Pia verschwunden war, stieg er ein.
Er warf ein schwarzes Samtschächtelchen in Serafinas Schoß und setzte sich ihr gegenüber. Sein Gesichtsausdruck wirkte kalt, hart, ja geradezu feindselig.
„Was ist das?“
Ungeduldig machte er eine Handbewegung.
Die Prinzessin öffnete die Schachtel und sah, dass sie drei prächtige Ringe enthielt: Der eine hatte einen Rubin in Herz- form, der zweite mehrere Amethyste und Diamanten und der dritte war ein schlichter Goldring.
„Such einen aus.“
Fragend sah sie ihn an. „Woher hast du diese Ringe?“
„Das ist unwichtig.“
„Aha“, erwiderte sie kühl. „Großes Geheimnis. Ich sollte mich wohl besser daran gewöhnen.“
„Richtig. Wähle einfach einen, und dann ist die Sache erledigt.“
Serafina dachte an den monströsen Diamanten, den ihr Anatol gegeben hatte, und wählte den schlichten Goldring. Sie streifte sich ihn über den Finger und runzelte die Stirn, als sie feststellte, dass er perfekt passte. Argwöhnisch sah sie Darius an.
„Er passt. Gut“, meinte er knapp und nahm den Ring wie- der, den sie ihm reichte. „Dann wollen wir das hinter uns bringen.“ Er sprang aus der Kutsche und wartete nicht da- rauf, ihr herauszuhelfen. Als er zur Kirche ging, warf er im Vorbeigehen der Zofe die Samtschachtel zu. „Für dich.“
„Was ist das?“ fragte Pia überrascht.
„Schau es dir an. Für deine Loyalität, Pia“, erwiderte er. „Es gibt einige Leute, die wissen, wie man Treue belohnen muss.“ Er lief die Stufen hinauf und ging in die Kirche.
Serafina folgte ihm mit zusammengepressten Lippen. We- nig später wurden sie getraut. Alec und Pia dienten als ihre Trauzeugen. Die einzigen Gäste waren die Wachen und ein paar Diener. Serafina war höchst aufgewühlt. Am Altar klam- merte sie sich an Darius’ Arm, denn außer Darius hatte sie keinen Vertrauten mehr.
Selbst während sie seine Nähe suchte, sagte ihr der Ge- danke nicht zu, dass er nun nicht mehr nur ihr Beschützer war, sondern auch ihr Gatte und Herr. Er soll es bloß nicht wagen, diese Stellung auszunutzen, dachte sie.
Sie sah, wie sich die Lippen des Priesters bewegten, nahm jedoch seine Worte nicht wirklich auf. Obgleich sie ihren Willen durchgesetzt hatte, empfand sie kein Glücksgefühl.
Als der Moment kam, in dem Darius ihr den Ring über- streifen sollte, schaute er sie kurz an. Sie dachte daran, wie sie in der Nacht zuvor einander geliebt und sich dabei tief in die Augen gesehen hatten. Einen Augenblick glaubte sie in seiner Miene seine innere Zerrissenheit erkennen zu können, doch dann wandte er sich von ihr ab und zeigte nur noch sein Profil. Er hasst mich, dachte sie bitter.
„Hiermit erkläre ich euch zu Mann und Frau. Ihr dürft einander küssen“, sagte der alte Priester freundlich.
Santiago zuckte zusammen, als wäre er während der Zere- monie eingenickt. Serafina biss sich auf die Lippe, denn sie wusste, dass er ihr absichtlich wehtat.
Ihr frisch angetrauter Gatte beugte sich herab und küsste sie flüchtig auf beide Wangen. Die Geste war so bedeutungs-
los, dass sie das Gefühl hatte, eine Ohrfeige verpasst zu be- kommen. Tränen des Zorns stiegen ihr in die Augen, doch sie war fest entschlossen, so kühl und beherrscht wie er zu bleiben. Als er ihr den Arm bot, nahm sie ihn und ließ sich aus der Kirche führen. Keiner der beiden lächelte.
Als sie wieder in der Kutsche saßen, verspürte Serafina Hass auf sich selbst, weil sie angenommen hatte, dass er ihr die hinterhältige List verzeihen würde.
Sie versuchte, ihr Schuldgefühl zu lindern, indem sie an seine Lügen dachte. Was sie ihm angetan hatte, war doch nicht schlimmer als seine ganzen Schwindeleien. Während die Kutsche weiter
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