Gaelen Foley - Amantea - 02
einen Grauschimmel, der für diese Umgebung viel zu edel und wahrscheinlich gestohlen war, aussuchte und kaufte.
Als die Glocken von San Lorenzo zur Frühmesse riefen, galoppierte er bereits die Straße außerhalb der Stadtmauer entlang – auf dem Weg nach Mailand, wo er in vier Tagen ein- treffen wollte. Jeder Satz des Hengstes brachte Darius weiter fort von allem, was ihm teuer und lieb war. Doch er spürte die Verbindung zu Serafina tief in seinem Inneren und fühlte sich darum ruhig und entspannt.
Er liebte sie rückhaltlos. Was er mit ihr hatte erleben dürfen, war jenseits von allem, was er sich jemals erträumt hatte.
Ja, er sah seinem Tod gelassen entgegen. Serafina würde frei sein, und er selbst endlich eins mit seinen Idealen.
14. KAPITEL
„Mein Gott, Pauline Bonaparte hat eine Statue von sich als Akt anfertigen lassen!“ rief Elisabetta und schaute von ihrem Skandalblatt auf.
Serafina saß am Toilettentisch, wo Madame mit ihrer Fri- sur beschäftigt war. Missmutig betrachtete sie ihre Freundin im Spiegel.
Es war ein klarer, sonniger Morgen, der ganz im Gegensatz zu Serafinas Stimmung stand. Der Genuss des Weines am Abend zuvor bereitete ihr Kopfschmerzen, und sie hatte fast die ganze Nacht auf Darius gewartet, der nicht erschienen war.
Sie trank einen Schluck Kaffee, schaute desinteressiert auf das Tablett mit dem Frühstück, das vor ihr stand, und fütterte dann ihr Äffchen mit einem Stück Melone.
„Was kümmert es mich, was Pauline Bonaparte tut?“ fragte sie.
„Dieses unmoralische Frauenzimmer“, murmelte Madame abfällig.
Serafina hatte Napoleons jüngste Schwester nie kennen gelernt. Sie hatte nur einmal ein Miniaturporträt von ihr ge- sehen und die schockierenden Geschichten über die zahlrei- chen Eroberungen der berühmten Schönheit gehört. Pauline sammelte Männer genauso, wie ihr Bruder Länder gewann.
Leider betrachtete die fünfundzwanzigjährige Venus die Prinzessin von Amantea als ihre Rivalin, seit die Zeitungen die beiden Frauen als Konkurrentinnen in Anmut und Reiz dargestellt hatten.
„Aber, Serafina, das ist herrlich skandalös! Das müssen Sie sich anhören“, erklärte Elisabetta.
Die rothaarige junge Dame lag auf dem Bauch auf Serafinas Himmelbett und las voller Schadenfreude vor: „Es heißt hier: Prinzessin Pauline hat für eine Statue von Canova – Venus Victrix – mehr oder weniger entkleidet posiert!“ Elisabetta lachte, als sie weiterlas. „Camillo, ihr Gatte, ist anscheinend
so eifersüchtig, dass er die Statue in einem leeren Raum in der Villa Borghese versteckt hält.“
„Wenn er klug wäre, würde er sie gleich mit einsperren“, meinte Madame. Sie warf Serafina einen tadelnden Blick zu. „Damals hätten sie ihn nicht abweisen sollen. Er ist aus einer ausgezeichneten Familie, Italiener, gut aussehend und reich.“
Aber er ist nicht Darius, dachte Serafina, der plötzlich Tränen in die Augen stiegen. Sie bedeckte ihr Gesicht mit beiden Händen, stützte sich mit den Ellbogen auf dem Toi- lettentisch ab und fuhr sich mit den Fingern durch das halb frisierte Haar. Betroffen blickten die beiden Frauen sie an, bis Elisabetta die Coiffeuse wegschickte. Serafina hörte, wie die Tür zufiel, und ihre Freundin dann zu ihr trat.
„Was ist denn los? Pauline Bonaparte ist das doch nicht wert. Was ist denn? Sie sind seit jener Nacht, als Sie aufs Land fuhren, ganz verändert.“
Serafina wusste nicht, was sie antworten sollte. Das Verlan- gen, Darius zu sehen, wurde unerträglich stark. „Elisabetta“, sagte sie langsam, „bitte holen Sie Santiago.“
Sie spürte, dass ihre Freundin sie verwirrt anschaute. „Warum?“
„Fragen Sie nicht! Ich bin die Prinzessin – tun Sie, was ich sage!“
Elisabetta verschränkte die Arme. „Was geht hier vor?“ wollte sie wissen. „Sind Sie Santiagos Geliebte? Hat er Sie verletzt? Oh, mein Gott, Serafina ... Sind Sie guter Hoff- nung?“
„Nein, das bin ich nicht.“ Sie wünschte sich fast, dass sie es wäre. „Elisabetta“, flüsterte sie nach einer längeren Pause, „ich liebe ihn so sehr. Ich muss ihn sehen.“
Elisabetta setzte sich auf den Hocker neben sie. „Erzählen Sie mir alles. Sie wissen, dass mich nichts schockieren kann. Also, bitte ganz von Anfang an“, sagte sie und goss Serafina noch eine Tasse Kaffee ein.
Die Freundin hörte voller Mitgefühl zu, als Serafina be- richtete, was sich alles zwischen ihr und Darius auf dem Landgut zugetragen hatte. Er habe sich sofort von
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