Gaelen Foley - Amantea - 02
befand sich vor einem gewaltigen Barockpalast, der an-
scheinend mitten auf freiem Land stand. Unruhig schaute er sich um, um sich die Gegend genau einzuprägen.
Dann wurde er wie ein wildes Tier an glotzenden Höflin- gen und Hofdamen vorbei durch die Hallen geführt. Er lä- chelte den Frauen zu, um seine Wächter aus der Fassung zu bringen.
Am Ende der Halle wurden große Türen zu einem gewalti- gen Saal geöffnet. Einen Augenblick verlor Darius das Gleich- gewicht und kam ins Wanken. Dann trat er aufrecht ein. Vor ihm saß an einer langen Tafel der Mann, der seinem Anschlag entkommen war.
Er starrte unverwandt auf Napoleon, und Napoleon er- widerte ebenso unverwandt seinen Blick. Der Kaiser wirkte allerdings belustigt.
Darius wurde in die Mitte des Raums geführt. Offenbar würde bald ein Essen stattfinden. Aus dem Augenwinkel sah er die Bestecke, und er hoffte, dass es auch ein passendes Messer für ihn geben würde.
Verächtlich betrachtete er die anderen Anwesenden.
Die Kaiserin, ehemals Josephine Beauharnais, saß zwischen ihrem Gatten und ihrem Sohn Eugene, der früher einmal um Serafinas Hand angehalten hatte. Die beiden sahen ihn ver- ängstigt an, doch Napoleons Brüder blickten auf Darius vol- ler Rachegelüste. Er warf ihnen ein herablassendes Lächeln zu und ließ dann seinen Blick – um besonders unverschämt zu wirken – über die drei Schwestern Bonapartes wandern.
Als er zu Prinzessin Pauline kam, stellte er fest, dass sie ihn aufmerksam beobachtete. Er zog die Brauen hoch, während sie seine teilweise entblößte Brust betrachtete.
„Süße, warum kommst du nicht her und kniest dich vor mich hin?“ rief er ihr zu.
Sie schnappte nach Luft. Überall machte sich Empörung breit.
Darius lächelte. Jemand trat ihm in die Kniekehlen, so dass er hinfiel. Er wurde mehrmals geschlagen. Ach ja, Erinne- rungen an die Kindheit, dachte er. Während er darauf war- tete, dass die Prügel ein Ende nahm, überlegte er, wie jemand diese magere Korsin mit seiner Princesa hatte vergleichen können.
Darius hörte, wie sich der junge Eugene räusperte. „Das reicht. Schließlich sind Damen anwesend.“
„Ich kann keine sehen“, murmelte Darius auf dem Boden.
Daraufhin wurde er wieder in die Rippen getreten. Er
zuckte zusammen, wurde jedoch hochgezogen, um erneut Napoleon betrachten zu müssen.
Der Kaiser schien noch immer belustigt. Er hatte sich zu- rückgelehnt und strich sich gedankenvoll über den Bauch. „Komm näher, geheimnisvoller Fremder. Wir wollen dich ansehen.“
Darius tat, wie ihm geheißen, und erspähte ein schimmern- des Messer, das auf dem Tisch lag.
„Das ist genug“, brummte der Hauptmann und legte die Hand auf die Schulter des Gefangenen, so dass er acht Fuß vor Bonaparte stehen blieb.
„Ich möchte wissen, was du zu deiner Verteidigung zu sagen hast, ehe ich dich verurteile.“
Darius dachte nach. „Nur, dass Sie kein großes Ziel abge- ben.“
Dieser Bemerkung folgten weitere Schläge.
„Wer bist du?“ fragte Napoleon freundlich.
Darius wankte leicht und zwang sich dazu, aufrecht zu stehen. „Niemand von Bedeutung“, erwiderte er.
„Warum wolltest du mich töten?“
Darius zuckte die Schultern. „Ich mag Sie nicht.“
Napoleon blickte ihn einen Moment nachdenklich an. Plötzlich lachte er. „Du bist der unverschämteste Kerl, den ich jemals getroffen habe. Bringt ihn weg. Morgen früh will ich all seine Geheimnisse kennen.“
„Was? Keine rasche Hinrichtung?“ entrüstete sich der Gefangene.
Napoleon kniff die Augen zusammen. „Alles zur gegebenen Zeit“, versprach er. Diesmal wirkte er aufgebracht. Er nickte den Wachen zornig zu, Darius abzuführen.
Als die Männer ihm die Hände auf die Schultern legen wollten, stürzte sich Darius nach vorn und ergriff das Messer. Die Frauen schrien. Doch sogleich packten ihn die Soldaten und trommelten von neuem auf ihn ein.
Napoleon war aufgesprungen und warf empört seine Ser- viette auf den Tisch. „Bringt ihn sofort um!“
Darius schaute den Kaiser an, der schützend vor seine Gattin getreten war.
Als man Darius schließlich hinausführte, gab er sich erneut furchtlos und hochmütig. In Wahrheit jedoch hatte er vor der kommenden halben Stunde Angst. Er warf noch einen Blick zurück und bemerkte, dass Prinzessin Pauline ihm nachsah.
Die Wachen stießen ihn auf die großen Türen zu.
„Wartet!“ rief eine hohe Stimme hinter ihnen.
„Was gibt es, Pauline?“ fragte Napoleon.
„Meine Hofdame
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