Gaelen Foley - Amantea - 03
alten Kabinett in den Palazzo Reale zu bringen, könnte es uns gelingen, Rafael die Macht zu entreißen, bis der König zurückkehrt.“
„Genau das habe ich vor“, erwiderte Orlando, obgleich das ganz und gar nicht seinem Vorhaben entsprach. Lazar sollte niemals lebend nach Amantea zurückkommen.
„Also gut.“ Der alte Mann ergriff den Herzog am Arm. „Ich hoffe, es klappt.“
Er nickte kurz. „Ich muss jetzt gehen.“ Als er durch das Schlafzimmer schritt und sich bereits überlegte, wie er am besten aus dem Gebäude floh, sprach plötzlich noch einmal Don Arturo.
„Sie ... Sie erinnern mich an meinen Neffen, wenn er so alt wie Sie geworden wäre.“
Orlando blieb stehen und drehte sich um. Das mit Fal- ten durchzogene Gesicht des Premierministers hatte einen wehmütigen und verlorenen Ausdruck.
Das war die deutlichste Äußerung einer echten Zuneigung, die Orlando jemals von einem Menschen bekommen hatte. Er schaute den alten Mann an und spürte, wie ein verborgener Schmerz in ihm aufstieg. Rasch verbarg er ihn wieder un- ter dem Schild aus Eis, das er sich bereits in jungen Jahren zugelegt hatte. Ohne zu antworten, wandte er sich ab und ging.
Während der nächsten zwei Wochen befolgten sie den Plan, den Daniela ersonnen hatte. Rafael wusste, dass ihre Absicht
hinter der Reise durch Amantea der Versuch war, Seine Ma- jestät und dessen Gemahlin für sich zu gewinnen. Sie wollte den Segen des königlichen Paares für ihre Ehe mit Rafael, auch wenn sie einmal der maskierte Reiter gewesen war. Doch für den Prinzen war die Reise eine geeignete Möglichkeit, seine Frau zu beschützen.
Er wusste, dass er das eigentliche Ziel für Orlandos Bösar- tigkeit war, aber er traute seinem Halbbruder durchaus zu, auch Daniela verletzen zu wollen. Schließlich hatte sie seine eindeutigen Avancen klar und entschieden zurückgewiesen. Er behielt sie ständig im Auge, und sie wurden beide stets von einer Leibgarde von zwanzig Mann bewacht.
Mit nur wenigen Dienern reisten sie leicht und trafen überall auf das einfache Volk. In den unterschiedlichsten Regionen der Insel – von den bewaldeten Bergen über die fruchtbaren Felder bis zu den Fischerdörfern, die sich längs der ganzen Küste erstreckten – begutachteten sie den Zustand des Staats und seiner Bewohner.
Wenn sie mit den treuen Untertanen zusammentrafen, die sie bei ihrer Ankunft begrüßten und Rafaels kurzer Rede lauschten, achteten die begleitenden Soldaten immer da- rauf, dass die Leute ihren Abstand zu dem königlichen Paar wahrten.
Wohin sie auch immer kamen, ließen die Wachen ihre Blicke suchend durch die Menge schweifen, um eventuell Orlando ausfindig zu machen. Rafael wusste, dass es ihnen nach Rache für ihre ermordeten Kameraden dürstete.
Auch er wollte Rache für Niccolo und Adriano und für das Leiden seines Vaters.
Ein unbändiger Zorn lauerte wie ein gewaltiger Löwe in seinem Inneren.
Der Gedanke an Orlando quälte ihn den ganzen Tag. Die Jagd auf den Flüchtigen war zwar weiterhin im Gange, aber der Herzog war bisher allen Versuchen, ihn zu fangen, geschickt entgangen.
Manchmal zitterte Rafael auf einmal, als fröstelte er. Er hatte Angst davor, dass es Orlando irgendwie gelingen würde, das enge Schutznetz, das er um Daniela gebreitet hatte, zu durchbrechen und sie genauso zu ermorden, wie er das bei seinen Freunden getan hatte. Diese Furcht überschattete für ihn alles, doch er verbarg sie vor seiner Frau. Er schämte sich zu sehr, zugeben zu müssen, dass er sie durch die Ehe mit ihm in Gefahr gebracht hatte.
Während viele Wochen ins Land zogen, kam der Schi- rokko und stülpte eine unerträglich feuchte und heiße Dunst- glocke über die Insel. Obwohl die Wolken am Himmel immer schwerer zu werden schienen, fiel doch kein Tropfen Wasser herab.
Die unerträgliche Hitze zeigte ihre Wirkung bei Mensch und Tier. Die disziplinierten Soldaten der Leibgarde waren alle ausgesprochen schlecht gelaunt. Ihre nervösen Pferde blieben immer wieder stehen oder bissen einander, da Insek- ten sie unaufhörlich plagten. Während das königliche Paar von Stadt zu Stadt reiste, wurde der Boden unter den Hufen der Pferde immer staubiger.
Rafael wusste, dass er sich täglich weiter in sich zurück- zog. Er befürchtete inzwischen nicht nur, dass Daniela etwas geschehen könnte, sondern es quälte ihn noch eine andere Angst. Wenn er vernünftig darüber nachdachte, wusste er, dass Daniela ihm treu war. Sie liebte ihn sehr, und doch stieg immer
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