Gaelen Foley - Amantea - 03
die Leiche des Kindes versteckt?“
Als Antwort starrte Rafael den Premierminister nur voller Grimm an. Er sagte nichts, da er zu stolz und zu hochmü- tig war, um auch nur ein Wort für seine Verteidigung vorzu- bringen. Sein Schweigen jedoch drückte mehr als alle Worte seine Verachtung aus für das, was gerade geschah.
Als Daniela näher kam, hoffte sie, dass er zumindest ein kleines Zeichen der Erleichterung, sie zu sehen, geben würde. Stattdessen jedoch starrte er sie an und wurde bleich. Im selben Augenblick drehte Orlando sich zu ihr um und blieb teuflisch grinsend stehen.
Elan versuchte Daniela aufzuhalten, als sie sich an dem Herzog vorbeidrängte und zum Rednerpodest eilte. Ihr Zorn ließ sie am ganzen Körper zittern. Sie war so wütend, dass sie kein Wort hervorbrachte, sondern nur die zwei Dokumente, die sie in den Händen hielt, Don Arturo reichen konnte.
Der Premierminister hielt sich an dem hölzernen Stehpult an beiden Seiten fest und blickte wie ein herrischer Richter auf sie herab. „Frauen sind in diesem Gebäude nicht zuge- lassen, Hoheit.“ Er sah in den Senatssaal. „Hoffentlich ist nun endlich die Ära von Dekadenz und verfallender Moral zu Ende. Vielleicht können wir nun zu dem zurückkehren, was dieses Land so groß gemacht hat.“
„Sie sollten sich diese Papiere wenigstens anschauen, wenn Sie klug sind“, sagte Daniela.
Etwas in ihrem vernichtenden Blick ließ ihn zögern. Wi- derstrebend nahm er die Dokumente schließlich und überflog sie.
„Daniela.“
Sie sah zu Rafael hin, der leise ihren Namen ausgesprochen hatte. Sie hörte ihn trotz des Lärms. Rasch ging sie zu ihm, während nicht weit entfernt Elan von den Wachen verlangte, den Kronprinzen loszumachen.
Als sie in seine dunkelgrünen Augen sah, las sie darin Zorn, Demütigung und Schicksalsergebenheit. „Du bist hier nicht sicher“, sagte er. „Ich will, dass du sofort dieses Gebäude und Amantea verlässt. Versuche, meinen Vater zu erreichen, ehe Orlando es tut. Warne ihn.“
„Nein, ich werde dich hier nicht zurücklassen. Ich liebe dich!“ Tränen stiegen ihr in die Augen, als sie ihm eine Hand
auf die Wange legte. „Ich habe dich nicht betrogen, Rafael. Ich würde dich niemals ...“
Er drückte sein Gesicht in ihre Hand und blickte sie voll Verzweiflung an. „Daniela, wenn du mich je geliebt hast, dann geh jetzt. Don Arturo will meinen Kopf, und Orlando hat ihn ihm auf einem Silbertablett serviert. Es gibt nichts, was sie davon abhalten könnte, dich als Nächstes zu töten. Sag Elan, dass er zur alten di Cambio-Zitadelle zurückkeh- ren soll. Ich glaube, dort ist Leo versteckt. Mein Gefühl sagt mir, dass mein Bruder noch lebt. Ich vermute, Orlando will ihn auf irgendeine Weise als seinen Trumpf zurückbehalten. Sage Elan, dass er den Jungen retten muss – ganz gleich, was geschehen mag.“
„Ich werde Elan helfen, ihn zu finden ...“
„Nein! Du setzt keinen Fuß auf diesen Boden. Die ganze Burg ist eine einzige Falle.“
„Du vergisst, dass du mit dem maskierten Reiter sprichst.“
„Daniela, es ist genau das geschehen, was mein Vater immer vorausgesagt hat“, flüsterte er.
„Nein, gib jetzt die Hoffnung nicht auf, mein Liebster“, befahl sie ihm sanft. „Nun gibt es mehr Gründe als je zuvor, um unsere Zukunft zu kämpfen.“
Er sah sie fragend an.
In ihren Augen standen Tränen, doch sie zwang sich rasch zu einem nüchternen Tonfall, ehe sie zu weinen begann. „Nun steig schon von deinem hohen Ross, und benütze deine Sprache, um dich zu verteidigen.“
„Daniela, willst du damit sagen ...“ begann er.
„Worüber sprecht ihr Turteltauben denn?“ unterbrach sie Orlando, der mit einem höhnischen Blick auf sie zutrat.
Sie sahen einander an, ohne auf ihn zu achten.
Danielas ruhiger Blick sprach von ihrer Liebe zu Rafael. Sie war sich bewusst, dass Orlando versuchte, ihr Gespräch mit anzuhören. „Ich habe dich nicht betrogen, und ich werde es dir beweisen“, flüsterte sie. Ihre nächsten Worte sprach sie mit lauterer Stimme, da sie auch für Orlando bestimmt waren. „An jenem Tag am Hafen vor vielen Wochen – als ich mich von den Gabbiano-Brüdern verabschiedete – bat ich Mateo, Orlandos Vergangenheit zu überprüfen. Heute ist Ma- teo mit den Beweisen zurückgekehrt, dass dein Verwandter nicht derjenige ist, der er zu sein behauptet.“
Orlando kniff die Augen zusammen. „Von welchen Bewei- sen sprichst du?“
Daniela musterte ihn von oben bis unten. „Sie
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