Gaelen Foley - Amantea - 03
Baronin.“
„Oh nein“, murmelte Elan mit weit aufgerissenen Augen.
„Diese Baronin – Baronessa Raimondi – versuchte Orlando als das Kind ihres Gatten auszugeben. Aber der Baron hat das niemals geglaubt. Orlando sah ganz anders als er aus. Das hier ist die Aussage der treuen alten Dienerin der Baro- nessa – einer Frau namens Nunzia, die auch Orlandos Amme war.“
„Aber ... Die Aussage einer Dienerin, Hoheit? Wer wird dem schon Bedeutung beimessen?“
„Zusammen mit diesem hier ist es genug, um Orlando als einen Lügner zu entlarven.“ Daniela hob das zweite Doku- ment hoch. „Orlandos Geburtsurkunde auf den Namen Rai- mondi. Wenn wir Don Arturo einen Grund geben, Orlando zumindest infrage zu stellen, wird es uns vielleicht möglich sein, eine Schwäche bei diesem Dämon zu finden.“
„Nun gut, aber ich bin mir noch immer sicher, dass Rafael mich umbringen wird“, sagte Elan, der jedoch nicht noch mehr Zeit verschwenden wollte, Daniela von ihrem Plan abzubringen.
Die Prinzessin blieb noch einen Augenblick stehen, um ihrer untersetzten Kammerzofe etwas ins Ohr zu flüstern.
„Sofort, Hoheit!“ rief ihr die Frau hinterher, aber Daniela lief bereits mit Elan aus dem Palast.
Während ihre Kutsche durch die Straßen zur Rotunda, dem Parlament, rollte, berichtete Elan von dem unerwarteten Ein- treffen Prinz Leos und dem ebenso plötzlichen Verschwinden aus dem Palazzo des Bischofs. Voll Grauen wurde Daniela klar, dass Orlando dieselbe Klugheit, Stärke und Anziehungs- kraft wie die anderen Mitglieder der di Fiore-Familie besaß, jedoch jeglicher Güte entbehrte und völlig gewissenlos war.
Als sie vor der Rotunda vorfuhren, musste sich der Kut- scher einen Weg durch die riesige Menge bahnen, die sich auf der Straße versammelt hatte. Alle waren entsetzt darüber, dass der Bischof ermordet und der Prinz verhaftet worden war. Schließlich wusste jedermann, dass zwischen den beiden offene Feindseligkeit geherrscht hatte.
Daniela und Elan sprangen aus der Kutsche, stießen die
Diener und die Leibgardisten beiseite und eilten die Stufen hinauf. In der Rotunda war es fast genauso voll wie auf der Piazza davor. Doch als die Prinzessin erschien, wurde sie durch die Menge geleitet, und Elan folgte ihr auf dem Fuß.
Zornige Stimmen waren aus dem Senatssaal zu vernehmen.
„Das ist der reinste Hohn! Wie können Sie es wagen, den Kronprinzen in Ketten zu legen?“ wollte der Admiral der Marine wissen, der Rafael immer gemocht hatte.
„Man hat ihn noch am Tatort mit blutigen Händen er- wischt!“
Als Daniela am oberen Ende der Treppe ankam, die in den Senatssaal hinabführte, erstarrte sie vor Entsetzen über das, was sie sah.
Unter ihr hatte sich der Senat in ein gewaltiges Chaos verwandelt.
Don Arturo hatte den Vorsitz inne und stand auf dem Red- nerpodest, wo er Rafael wütend beschimpfte. Die anderen Kabinettsmitglieder saßen an den Seitentischen und schrien durcheinander. Einige hatten sich von ihren Sitzen erhoben. Auch Orlando war da – wie immer in Schwarz gekleidet – und schritt mit hoch erhobenem Haupt durch den Saal. Die Arme hielt er verschränkt und warf immer wieder einen spöttischen Blick auf seinen jüngeren Halbbruder.
Rafael, der Kronprinz, der zukünftige König von Amantea, war dazu gezwungen worden, wie ein gewöhnlicher Verbre- cher auf dem kleinen Holzpodium zu sitzen, das neben dem Rednerpodest stand.
Daniela traute ihren Augen nicht. Ihr Liebster, ihr Prinz – in Ketten, als würden sie sich zwanzig Jahre früher in Frank- reich befinden. Seine stets makellose Kleidung war zerrissen, die Lippen hatte er grimmig zusammengepresst, und in sei- nen Augen funkelte wilder Zorn. Er sah mit seinen offenen, zerzausten Haaren wie ein gefangen genommener Samson aus.
Daniela ging weiter, ohne zu wissen, was sie nun tun sollte.
„Das ganze Kabinett war anwesend, als König Lazar Sie an jenem Abend gewarnt hat. Er ordnete an, dass Sie eine der fünf gewählten Bräute heiraten sollten. Ansonsten würde Ih- nen der Thron genommen und stattdessen Ihr Bruder, Prinz Leo, als Thronfolger Ihres Vaters eines Tages die Krone er- halten.“ Don Arturos donnernde Stimme klang ihr in den Ohren, während Daniela die Treppe hinabeilte. „Nachdem Sie nun den Willen Ihres Vaters bezüglich Ihrer Heirat au-
ßer Acht gelassen haben – trifft es dann nicht zu, dass Sie es dem König unmöglich machen wollten, Sie zu enterben, in- dem Sie Ihren eigenen Bruder beiseite schafften? Wo haben Sie
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