Gaelen Foley - Amantea - 03
er den Tonfall des Königs nachahmte. „,Keine Schwächen'. Das war das Motto, nach dem ich zu leben hatte.“
„Das klingt ziemlich hart“, bemerkte Daniela und trank einen Schluck Wein. „Warum war Ihr Vater so streng?“
Rafael überlegte. „Er glaubt – wie ich auch – , dass ein geachteter Herrscher stets ein Vorbild sein muss. Wenn die Leute an ihrem König eine Schwäche bemerken, stürzen sie sich wie ein Rudel Wölfe auf ihn.“ Er sah, dass sie ein Ge- sicht schnitt. „Mir wurde also alles in die Hand gegeben, ein vorbildlicher Mensch zu werden. Wie ist es mir gelungen?“
„Ich bin mir nicht sicher“, erwiderte sie mit einem schalk- haften Lachen, das Rafael betörend fand.
Spürte sie, dass sie ihm schon um sehr viel näher gekom- men war? Er stützte sich mit einer Hand hinter dem Rücken ab, während Daniela allmählich immer mehr seitlich zu ihm sank. Ihre Schuhe hatte sie inzwischen ausgezogen.
„Erzählen Sie mir mehr von Ihrer Kindheit und Jugend?“
„Nun, da gab es die akademischen Fächer, es gab die so- zialen Gebiete und die Leibesübungen, die mir übrigens ein besonderes Vergnügen bereitet haben. Und dann die Künste, in denen ich mich nicht auszeichnete“, fügte er hinzu. „Ich habe kein Talent dafür, aber ich zeigte Geschmack. Vater konnte mir also keine Vorhaltungen machen.“
„Ich meinte, wie Sie sich gefühlt haben.“
Rafael blickte sie einen Moment nachdenklich an. „Oh, ganz gut.“
Eine kastanienbraune Locke fiel ihr ins Gesicht, als sie den Kopf zur Seite neigte und ihn zweifelnd ansah.
„Ich weiß nicht recht. Alle waren eifersüchtig“, gab der Prinz zu und zog zärtlich an ihrer widerspenstigen Locke. „Das Erste, was Sie vom Hof wissen müssen, Daniela, ist die Tatsache, dass jeder auf seinen Vorteil bedacht ist. Man wird zwar über jeden Ihrer Scherze lachen, doch wer Ihre wahren Freunde sind, erfahren Sie nie.“ Er zwinkerte ihr zu. „Außer mir natürlich.“
Voller Wärme lächelte sie ihn an. Ihre Augen waren kristall- klar, und sie schien furchtlos wie ein Kind zu sein. Mit einem Mal fühlte Rafael Gewissensbisse, dass er ein so unschuldiges Wesen in die gefährliche Welt des Palastes gebracht hatte. Er würde sich wirklich um sie kümmern müssen.
Jetzt hob er das Glas und prostete ihr zu. Beide tran- ken und schwiegen eine Weile. Sie genossen die Anwesen- heit des anderen, während die Seeluft sanft in ihren Haaren spielte.
Rafael sprach wieder, während er aufs Meer hinaussah. „Sie kennen bestimmt die Geschichte, wie die Eltern meines Vaters ermordet wurden, als sie kaum älter waren, als wir beide jetzt sind. Mein Vater war damals erst ein Junge und der Einzige, der dem Tod entkam.“
Daniela nickte traurig. „Eine große Tragödie in der Ge- schichte Amanteas.“
„Ja, das stimmt. Mein Vater durchlebte eine schreckliche Kindheit im Exil. Seine Erfahrungen haben ihn hart werden lassen, und deshalb glaubt er nun, das sei auch der Grund seines Erfolgs als König. Er befürchtet, dass für mich das Leben zu leicht war. ,Sie werden dich in Stücke reißen', sagte er oft.“
„Wie nett von ihm, an Sie und Ihre Fähigkeiten zu glau- ben“, erwiderte Daniela trocken.
Rafael wandte sich ihr überrascht zu. Ja, sie hatte ihn ge- nau verstanden. „Das ist es eben“, erklärte er. „Er hält mich für einen Narren. Alle tun das.“
„Das sind Sie aber nicht“, wandte sie ein.
„Nein, das bin ich nicht“, stimmte er zu.
Lächelnd sah sie ihn an. Beide genossen den Moment völli- ger Übereinstimmung. Schließlich senkte Daniela den Blick und sprach zögernd: „Sie werden eines Tages ein bedeutender König sein, Rafael.“
„Ach“, murmelte er und blickte zur Seite.
Einen Moment regte sie sich nicht. Dann legte sie ihm die Hand auf die Schulter und liebkoste ihn. Er schloss die Augen und senkte den Kopf.
Ihre Berührung fühlte sich wundervoll an.
Glaube an mich, Daniela, flüsterte eine Stimme in seinem Inneren. Ich brauche jemand, der mich um meiner selbst willen mag.
„Seine Majestät muss ein harter Mann sein. Es kann nicht leicht für Sie sein, dass er seine ganze Hoffnung für Amantea in Sie setzt. Aber er ist auch Ihr Vater und meint es bestimmt gut mit Ihnen.“
„Ich habe mein ganzes Leben in seinem Schatten ver- bracht“, flüsterte Rafael kaum hörbar. „Nichts, was ich ma- che, ist gut genug für ihn. Nie hat er mich für irgendetwas gelobt. Wäre es mir doch nur gleichgültig, was er meint! Aber ich
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