Gaelen Foley - Amantea - 03
Rafael folgte ihr zu einem Sessel, der in der Mitte des Raumes stand. Dort setzte sie sich aufrecht hin und faltete die Hände im Schoß.
Er stellte sich hinter sie und wartete darauf, dass sich seine Freunde ihr vorstellten und zu der bevorstehenden Hochzeit gratulierten.
Elan schloss Daniela sogleich in sein Herz, wie Rafael er- leichtert feststellte. Sein Vetter Orlando verhielt sich höflich, aber distanziert, während Adriano und Niccolo wie gewöhn- lich die Hochmütigen spielten. Daniela bot keinem von ih- nen die Hand, was Rafael gefiel. Sie gab sich würdevoll und gelassen und sprach wenig.
Wenig später erhob sie sich. Er legte ihre Hand auf seinen Arm, und sie schritten aus dem Salon. Er war froh, sie wieder für sich zu haben.
Gott allein wusste, wie viele Aufgaben er eigentlich zu be- wältigen hatte. Aber im Moment wollte er seine Zeit nur mit
Daniela verbringen – am liebsten ganz allein. Er legte ihr den Arm um die schmalen Schultern und drückte sie liebevoll an sich. „Das war sehr gut.“
Unsicher blickte sie zu ihm auf.
„Kommen Sie! Ich möchte Ihnen etwas zeigen.“ Er nahm sie an der Hand und zog sie den Gang entlang. Als sie protestierte, schenkte er ihr ein unwiderstehliches Lächeln.
In knapp einer Stunde befanden sie sich auf seiner eleganten, dreißig Fuß langen Yacht, die durch den Hafen glitt. Rafael fühlte sich frei. Mit hochgerollten Ärmeln stand er am Steu- errad und spürte deutlich, wie Daniela ihn aufmerksam be- trachtete. Sie holte gerade Geschirr und Speisen aus einem Picknickkorb heraus, der ihnen von einem Diener gereicht worden war, bevor der Prinz alle anderen von Bord schickte.
Er schaute zu den Segeln hinauf, die sich gegen den blauen Himmel abhoben. Die Wellen schlugen sanft gegen die Yacht. Nachdem sie sich etwa eine Seemeile von Amantea entfernt hatten, band Rafael das Steuerrad fest und kletterte auf die Takelage, um einige Segel herabzulassen.
Daniela beobachtete ihn, während sie einen Pfirsich aß.
Er lächelte vor sich hin und sprang auf das polierte Deck hinab. Sie hatte, ihren Blicken nach zu urteilen, wohl nicht vermutet, dass er wusste, wie man ein Segelboot steuerte. Doch als Gefangener seiner Stellung floh er stets gern hier- her – in die Freiheit. Die eindrucksvolle Gewalt des Meeres machte ihm immer wieder seine eigene Bedeutungslosigkeit bewusst und ließ ihn bescheiden sein.
Er setzte sich neben Daniela. Was sie wohl dazu sagen würde, wenn er ihr mitteilte, dass er noch nie zuvor eine Frau mit an Bord gebracht hatte?
Sie bot ihm ein Stückchen Käse an. Dankend lehnte er ab und nahm stattdessen die Flasche Wein, die sich im Pick- nickkorb befand. Als er sich suchend nach dem Korkenzieher umsah, reichte Daniela ihn ihm lächelnd.
„Manchmal als Junge“, sagte er, „träumte ich davon, mei- nen ganzen Besitz auf dieses Boot zu bringen und für immer fortzusegeln. Ich wollte ferne Länder erforschen, doch statt- dessen blieb ich hier – zum Glück.“ Mit funkelnden Augen sah er Daniela an. „Ich wäre bestimmt an Malaria gestorben oder Kannibalen zum Opfer gefallen.“
Daniela lachte.
„Was ist?“
„Nur Sie konnten einen Grund finden, vor einem solch angenehmen Leben weglaufen zu wollen. Zweifelsohne war es eine wahre Qual, von allen bewundert zu werden: der zukünftige König, der Augapfel seiner Mutter ...“
„Nun hören Sie aber auf! Es war wirklich nicht immer einfach!“ protestierte Rafael und lachte mit ihr. „Auch ich hatte so mancherlei durchzustehen – wie jeder.“
„Was zum Beispiel?“ fragte sie, während er die Weinflasche entkorkte.
„Es wurde viel von mir verlangt. Seit ich laufen kann, wurde ich in allen Fächern, die man als Staatsmann beherr- schen muss, ausgebildet.“
„In welchen?“ Daniela holte aus dem Korb zwei Gläser, die sie Rafael hinhielt.
Er schenkte den Wein ein. „Rhetorik, Geschichte, Logik, Musik, Philosophie, Sprachen, Algebra, Finanzen, Militär- taktik, Architektur, Benehmen, Tanzen ...“
„Tanzen!“
„Man darf schließlich nicht anderen Leuten auf die Füße treten oder stolpern, wenn die Blicke der Öffentlichkeit auf einen gerichtet sind.“ Er stellte die Flasche beiseite.
Daniela reichte ihm ein Glas. „Was mussten Sie noch lernen?“
„Lernen? Nicht lernen, meine Liebe – meistern“, verbes- serte er sie und stieß mit ihr an. „Mein Vater hätte nichts an- deres gestattet. ,Du musst der Beste, Stärkste, Klügste sein, Rafael'„, sagte der Prinz, wobei
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