Gaelen Foley - Amantea - 03
zum Stadtpalais des Ministers.
Er schickte seinen Lakaien zur Tür, während er in der Kut- sche wartete. Der Diener kehrte allerdings nach kurzer Zeit zurück und berichtete, dass der alte Mann nicht zu Hause sei. Er sei aufs Land gefahren, um die Zeit zu nutzen, die er durch Rafaels wütenden Ausbruch und die Entlassung aller geschätzten Berater seines Vaters gewonnen hatte.
Der Kronprinz unterdrückte einen Seufzer.
Da kam ihm eine Idee. Er befahl dem Kutscher, ihn zu dem Geschäft zu bringen, wo gerade sein Phaeton repariert wurde.
Dort war man gerade dabei, die Tätigkeit für den heutigen Tag zu beenden. Doch als man erfuhr, wer ihnen die Ehre gab, überschlugen sich der Stellmacher und seine Gesellen beinahe, um ihrem Herrscher zu Diensten zu sein. Er wurde zu seinem Vierspänner geführt, den man inzwischen wieder ganz hergestellt hatte. Ein Junge war gerade dabei, ihn noch ein letztes Mal zu polieren.
Als Rafael den Stellmacher bat, ihm die gebrochene Achse zu zeigen, sah dieser ihn verwirrt an.
„Natürlich, Hoheit“, sagte er und befahl zwei Gesellen, das
Gewünschte unter den gebrochenen Wagenrädern, die sich in einer Ecke der Werkstatt befanden, zu bringen.
Rafael wartete unruhig, während er sein elegantes Gefährt begutachtete. Es war nur eine merkwürdige Eingebung, aber er wollte die Achse untersuchen, um sicherzugehen, dass niemand seine Hand im Spiel gehabt hatte.
Wie durch ein Wunder war er bei dem Unfall nicht zu Schaden gekommen. Wäre er kein so guter Fahrer gewesen und hätte er es nicht geschafft, noch im letzten Moment aus der Kutsche zu springen, hätte er schwer verletzt werden können.
Damals hatte er über das Missgeschick gelacht und sich mit einem Schluck Likör beruhigt. Doch jetzt lief es ihm bei der Vorstellung, was alles hätte geschehen können, eiskalt den Rücken hinunter.
Als die Burschen nach einer Weile ohne Achse zurückkehr- ten, erstarrte Rafael. Sie könnten sie nicht finden, berichteten die beiden. Sie sei spurlos verschwunden.
Den Stellmacher verblüffte diese Nachricht. Beschämt schrie er seine Gesellen an: „Seid ihr blind? Entschuldigen Sie mich, Hoheit. Ich werde sie schon ausfindig machen.“
Doch als die Sonne unterging, hatte auch der Meister die Achse nicht entdeckt.
Entsetzt verließ Rafael die Werkstatt.
Es herrschte eine wunderschöne Abendstimmung, aber er stand erstarrt auf dem Bürgersteig und sah blicklos gera- deaus. Verzweifelt versuchte er, sich zu sammeln. Er war wahrhaftig nicht zu früh wachgerüttelt worden!
Benommen lief er los, ohne zu wissen, wohin. Die Kutsche ließ er stehen und achtete auch nicht auf die Blicke der Vo- rübergehenden. Konnte er nicht einmal in seinem Leben wie alle anderen die Straße entlangspazieren? Zumindest bis er wusste, was er zu tun hatte.
Er ignorierte die Rufe und Bücklinge der Leute – jener Leute, die alle auf ihn zählten, während er es noch nicht einmal schaffte, seine junge Frau unter seinem Dach zu beschützen.
Rafael war so aufgebracht, dass er kaum zu denken ver- mochte. Mit gesenktem Kopf und den Händen in den Taschen ging er durch die allmählich dunkler werdenden Straßen – ohne ein Ziel, ohne einen Plan.
Als sich die Wut legte, übermannte ihn die Verzweiflung. Er fühlte sich so hilflos, so besiegt.
Er würde Vater zurückrufen müssen, da er allein nicht zurechtkam. Auf keinen Fall durfte er nämlich jetzt einen Fehler begehen. Er hatte keine Angst vor Orlando. Nein, er fürchtete, einen schlimmen Fehler zu machen. Es ging um zu viel, als dass ein Narr wie er sich allein daran wagen konnte.
Rafael, der Draufgänger, dachte er und hasste sich. Er war nichts anderes als eine nutzlose Dekoration.
Aber selbst Vater würde es schwer fallen, in einer so schwie- rigen Situation das Richtige zu tun. Verdammt, was würde der König tun?
Ich werde es Orlando auf den Kopf zusagen, dachte Rafael. Ihn wie ein wild gewordener Stier angreifen.
Doch das würde nicht genügen. Eine direkte Konfrontation war sinnlos, wenn Orlando seit zwei Jahren im Hintergrund geschickt seine Fallen gestellt hatte. Der Mann war eindeutig ein versierter Lügner.
Verdammt, sogar Darius wüsste, was er zu tun hätte. Darius hätte ein ebenso hinterhältiges Spiel wie Orlando gespielt, bis er genügend Beweise in der Hand gehabt hätte, um ihn zu überführen. Und dann würde er ihn ... Ja, was würde er eigentlich mit ihm machen? So wie er Santiago kannte, würde er dem Mann einfach die Kehle
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