Gaelen Foley - Knight 03
als er ihr die Tasche abnahm.
Er half ihr in die Droschke, stellte die Tasche neben ih- ren Füßen ab und schloss die Tür. Dann befahl er dem Kut- scher: „Knight House am Green Park.“
„Aye, Sir“, erwiderte der Fahrer. Er betätigte die Peit- sche, und dann setzte sich der Wagen in Bewegung.
Diese Reise nimmt nie ein Ende, dachte Miranda er- schöpft. Damien schwang sich in den Sattel und ritt vor der Droschke her. Der Hengst zuckte zornig mit dem Schweif und bog in erhabenem Ärger den Nacken. An- scheinend mochte der arme Zeus das Chaos in der Stadt ebenso wenig wie sein Herr und Gebieter.
Im Lauf ihrer Fahrt nach Westen wurde die Umgebung merklich ruhiger und eleganter, bis die Kutsche endlich in die berühmte St. James’s Street einbog. Sie waren im Her- zen des vornehmen London angelangt. Mayfair mochte fa- shionabler sein, aber in St. James fanden sich alter Reich- tum und noch älterer Adel.
Lieber Himmel, dachte sie besorgt, was sind das nur für Leute, zu denen er mich bringt? Aus den Briefen ihres On- kels wusste sie, dass die illustren Knight-Zwillinge die jüngeren Söhne eines Herzogs waren, aber bisher hatte sie sich nicht klargemacht, was diese Tatsache für sie bedeu- tete. Wie konnte sie hoffen, dass derartig erhabene Persön- lichkeiten sie je akzeptieren würden? Dann blieb ihr der Mund offen stehen, als die Kutsche vor einem Anwesen hielt, das sich hinter mächtigen schmiedeeisernen Toren verbarg.
Ein Diener in dunkelblauer Livree kam auf Damiens Ruf herbeigeeilt, schloss das Tor auf und verbeugte sich vor ih- rem Vormund. Die bescheidene Mietdroschke rollte durch die imposante Einfahrt, vorbei an makellosen Rasenflä- chen, und hielt schließlich vor einem prächtigen palladia- nischen Palast. Das stolze Stadthaus ging auf den Green Park hinaus und hatte einen Säulenvorbau mit schwerem eisernen Kronleuchter.
Benommen starrte Miranda es an. Sobald die Kutsche zum Stehen kam, ging die Tür auf, und ein Lakai mit wei- ßer Perücke trat aus dem Haus, ließ das Treppchen herun- ter und verbeugte sich vor Miranda.
„Darf ich Ihnen helfen, Miss?“ erbot er sich und streckte ihr die behandschuhte Hand entgegen.
Miranda schaute den Lakaien an und fragte sich, ob sie träumte. Bedächtig nahm sie die Hilfe an und stieg aus der Kutsche, während Damien den Fahrer entlohnte.
„Dürfte ich Ihre Tasche nehmen, Miss?“
„Nein – danke.“ Sie presste die zerkratzte Ledertasche an die Brust und blickte ehrfürchtig an Knight House em- por. In den hohen Bogenfenstern im Erdgeschoss spiegel- ten sich der Himmel und der winterstarre Park. Das Dach zierten in regelmäßigen Abständen lebensgroße antike Statuen.
Damien vertraute sein Pferd einem Stallburschen an und ging an ihr vorbei, als wäre es das Normalste auf der Welt, in ein derart prächtiges Haus zu schlendern. Auf den brei- ten Eingangsstufen hielt er inne und drehte sich zu ihr um. „Kommst du?“
Plötzlich wurde Miranda bewusst, dass sie Maulaffen feilhielt wie ein Bauerntrampel. Sie riss sich zusammen und folgte ihm eilig.
Selbst der Butler, der sie an der Tür empfing, schien weit über sie erhaben zu sein. Er war groß und schon ziemlich gebeugt, mit schmalen Wangenknochen und würdevollen grauen Koteletten. Verschreckt betrachtete sie ihn. Als sie die Eingangshalle betrat, hörte sie wunderschöne Klavier- musik.
Musikalisch veranlagt, wie sie war, beruhigte sie das et- was. Es erklang eine meisterhaft gespielte Sonate von Haydn. Unwillkürlich näherte sie sich ihrem Vormund und schaute sich staunend in der weiträumigen, in weißem Marmor gehaltenen Eingangshalle um. Über ihr glitzerte der herrlichste Kronleuchter, den sie je gesehen hatte, und vor ihr schwang sich eine Treppe wie schwerelos in den nächsten Stock. Rechts neben der Tür stand eine polierte Ritterrüstung, mit funkelnden Juwelen besetzt.
„Guten Tag, Mr. Walsh“, sagte Damien gerade zum But- ler. „Anscheinend ist mein Bruder zu Hause.“
„In der Tat, Mylord. Seine Gnaden spielt Klavier.“
„Und die Herzogin?“ fragte er und legte den Mantel ab.
„Im gelben Salon. Sie nimmt dort mit Lady Lucien den Tee. Soll ich Sie melden?“
„Nicht nötig.“
„Sehr wohl, Sir. Ihr Zimmer ist ebenfalls bereitet. Ich hoffe, Sie finden alles zu Ihrer Zufriedenheit vor.“
„Danke. Bitte lassen Sie auch für Miss FitzHubert ein Zimmer herrichten. Sie ist mein Mündel und eben erst von
der Schule abgegangen. Miranda ...“
Sie hörte nur mit
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