Gaelen Foley - Knight 03
ten dabei wie heidnische Stammesfürsten. Von Baum zu Baum duckten sie sich, sprangen über die Buchsbaumein- fassungen des Gartens und stürzten sich aufeinander wie die Schuljungen, während die Schneebälle nur so durch die Luft sausten. Zuerst dachte Miranda, dass die Zwillin- ge gegen Robert und Alec angetreten waren, doch bald er- kannte sie, dass hier jeder gegen jeden kämpfte. Und die ganze Zeit sprangen und bellten die herzoglichen Wach- hunde wie nicht gescheit und versuchten schwanzwedelnd, nach den Schneebällen zu schnappen.
Ohne Vorwarnung stieß Alec ein Kriegsgeheul wie ein Highlander aus und griff Lucien an. Während sie sich noch im Schnee wälzten, vereitelte Robert Alecs Triumph, in- dem er ihm Schnee ins Hemd stopfte. Lachend kam Da- mien seinem jüngsten Bruder daraufhin zu Hilfe und brachte Robert mit einem heftigen Stoß in die Kniekehlen zu Fall. Ächzend ging der Herzog zu Boden, und dann stürzten sich alle erneut aufeinander. Einmal noch stob der
Schnee auf, und dann verlagerte sich der Kampf um die Hausecke, wo Miranda ihn nicht mehr beobachten konnte. Als die Männer weg waren, blinzelte sie erstaunt. Hatte sie recht gesehen? Entweder lag es an Weihnachten, viel- leicht hatte es den kleinen Jungen in ihnen geweckt, oder aber sie waren vollkommen übergeschnappt. Sie schaute zum Nachthimmel und wünschte sich bei einem blinken- den Stern, dass sie Damiens Liebe gewinnen und für im- mer Teil dieser Familie werden würde.
Dann zog sie sich still in ihr Zimmer zurück und rollte sich zufrieden in ihrem Bett zusammen. So sicher und wohl hatte sie sich seit dem Tod ihrer Eltern nicht mehr gefühlt.
Das Holland House in Kensington war ein großartiges Her- renhaus aus dunkelbraunem Backstein mit weiß abgesetz- ten Kanten. Zur Weihnachtsfeier war es festlich herausge- putzt mit Kerzen, Bändern und Schleifen. Aus einiger Ent- fernung betrachtet, sah es wie ein kunstvoller Lebkuchen- palast aus. Miranda bewunderte es andächtig. Ihr rotes Ballkleid war erst eine Stunde, bevor sie mit der Kutsche zu ihrem allerersten Ball hatten aufbrechen wollen, gelie- fert worden.
Als die Kutsche die laternengesäumte Auffahrt hinauf- rollte, plauderten Damien und der Herzog müßig über die politischen Überzeugungen ihrer Gastgeber, denn Lord und Lady Holland waren Whig-Anhänger, während Da- mien erklärter Tory war. Zum Glück waren die Anhänger der gegnerischen Lager durchaus willens, gesellschaftli- chen Umgang miteinander zu pflegen, denn schließlich einte sie ihre herausragende Stellung in der Welt.
Als die glänzende schwarze Kutsche vor dem Eingang zu Holland House zum Stehen kam, warf Miranda einen Blick auf Damien. In seiner Galauniform fand sie ihn umwer- fend attraktiv. Als er ihr aus der Kutsche half, raste ihr Herz – sowohl vor Freude als auch vor Angst, in irgendein gesellschaftliches Fettnäpfchen zu treten. Dann geleitete er sie zu dem großartigen Eingang, einen Schritt hinter dem Duke und der Duchess of Hawkscliffe.
Miranda, die kaum glauben konnte, dass sie, die Rebellin von Yardley, wirklich auf einen Ball gehen sollte, klam- merte sich an Damiens Arm, um ihren leichten Schwindel
zu verbergen. Mit großen Augen und äußerst sittsam trat sie in die überfüllte Eingangshalle, wo sich die gut gelaun- ten Gäste versammelten. Während sie Mäntel, Hüte und Umhänge an die Lakaien weiterreichten, riefen sie einan- der muntere Grußworte zu. Etliche Damen hatten sich auf einer Bank an der Wand niedergelassen und tauschten ih- re warmen Straßenschuhe gegen zierliche Tanzschühchen, während die Lakaien jedem Neuankömmling ein Glas Punsch oder ein Tässchen Suppe anboten, damit sie sich aufwärmen konnten, bevor sie mit roter Nase die Treppe zum Ballsaal hinaufstiegen.
Miranda ließ sich von einem Lakaien die pelzverbrämte Pelisse und den luxuriösen Pelzmuff abnehmen, den Alec ihr zu Weihnachten geschenkt hatte. Dann folgte sie dem Beispiel der Herzogin und nahm eine Tasse Suppe. Sie trank nur ein paar nervöse Schlucke, bevor sie zustimmte, mit den anderen nach oben zu gehen.
Die Musik des Kammerorchesters und das Stimmenge- wirr der Gäste übertönend, kündigte der Zeremonienmeis- ter sie bei ihrem Eintritt an. Miranda konnte sich nicht er- innern, in ihrem neunzehnjährigen Leben einen stolzere Moment erlebt zu haben als diesen, da sie am Arm ihres distinguierten Vormunds den weiträumigen Ballsaal be- trat.
Die lange Galerie war mit Tannengirlanden geschmückt,
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