Gaelen Foley - Knight 04
Traummann zu verbrin- gen, beim Schopfe zu packen. Jacinda verabschiedete sich von ihrer Familie.
Die Reise von London nach Hawkscliffe Hall in Cumber- land, wo sich seit Generationen der Sitz ihrer Familie be-
fand, dauerte vier Tage, aber Jacinda kam die Reise in der engen Kutsche und nur in Begleitung ihrer schmollenden Gouvernante doppelt so lange vor. Miss Hood war so kurz angebunden und behandelte ihren Schützling so streng, dass Jacindas Zofe Ann schließlich auf dem Kutschbock mitfuhr, um der angespannten Stimmung in der Kutsche zu entfliehen. Als die Gruppe den zweiten Tag unterwegs war, merkte Jacinda allmählich, wie sehr die Begegnung mit Bil- ly Blade sie verändert hatte.
Sie war sicher schon hundert Mal von London aus nach Norden gefahren, aber diesmal hatte sie zum ersten Mal Au- gen für die Not und das Elend, das sich ihr am Straßenrand darbot. Es war genauso, wie Blade es beschrieben hatte. Sie fuhren an den ausgebrannten Resten ehemaliger Baumwoll- mühlen vorbei, und in den Straßen bettelten die Helden von Waterloo als betrunkene Krüppel um Essen. Als sie für die Nacht in York Station machten, hörte Jacinda, wie ein auf- gebrachter Unruhestifter der Menge einen Vortrag hielt, dass die modernen Maschinen ihnen ihren Lebensunterhalt raubten und die Leute arbeitslos machten. Am liebsten hät- te sie ihm noch länger gelauscht, aber Miss Hood beförder- te sie schleunigst in die Herberge.
Nachts erkannte Jacinda, dass Billy ihr nicht nur für die Zustände der Welt die Augen geöffnet hatte, sondern auch für die körperliche Liebe. Sie lag schlaflos in ihrem Bett und brannte vor Lust bei der Erinnerung an seinen Mund, seine Hände auf ihren Brüsten. Sobald sie die Augen schloss, sah sie seine faszinierenden Tätowierungen vor sich, und in ih- ren Träumen zog sie sie mit Lippen und Fingerspitzen nach. Jacinda kämpfte gegen ihr Verlangen nach diesem unma- nierlichen, freimütigen Schurken an. Hier, wo sie Roberts kritischen Blicken nicht ausgesetzt war, konnte sie sich ein- gestehen, dass sie nicht wusste, was aus ihr werden sollte. Blade hatte ihr einwandfrei bewiesen, dass in ihren Adern das gleiche katastrophale Blut floss wie in denen ihrer Mut- ter. Jacinda war ein höchst zerbrechliches Gefäß, das sich nach der Liebkosung eines Mannes sehnte.
Oder übte nur Billy Blade diese Wirkung auf sie aus? Ja- cinda verdrängte diesen Gedanken rasch.
Während der zweiten schlaflosen Nacht kämpfte Jacinda erneut ihre Sehnsüchte nieder und beschloss, dass es un-
möglich war, dass sie und Billy Blade je ein Paar würden. Selbst wenn er ein Prinz und damit akzeptabel für sie wäre, bevormundete er sie genauso stark wie ihre Brüder, und solch einen Mann wollte Jacinda nicht. Der Gedanke brach- te sie wieder zur Vernunft, zumal sie seinen verletzten Ge- sichtsausdruck nicht vergessen konnte, als sie ihn im Park geschnitten hatte.
Vergiss ihn.
Egal, was für eine Verbindung in jener Nacht in jenem Zimmer und in seinem Bett zu ihm bestanden hatte, mit ih- rem Verhalten im Park hatte sie sie zunichte gemacht. Wahrscheinlich ist es so am besten, sagte sie sich.
Eine Woche später rauchte Blade sein Zigarillo zu Ende und schärfte sein Messer für die Nacht. Auf dem Weg vom Hyde Park zurück in sein Quartier war ihm die Idee gekommen, einen Raubzug durch die eleganten Häuser am St. James Square und in Mayfair durchzuführen. Als er jemanden den Flur entlangkommen hörte, warf er einen raschen Blick auf die geschlossene Zimmertür und versteckte dann Jacindas Diamanten in seinem Stiefel.
Bisher hatte er den Schmuck noch nicht versetzt, und da er das Haus mit einer Bande gewitzter Diebe teilte, wagte er es auch nicht, die Diamanten dort zu verstecken. Auch wenn er sich einredete, dass er die Kette nur behielt, um sie Jacin- da eines Tages in den entzückenden Hals zu stopfen, war die traurige Wahrheit, dass er sich nicht von ihr trennen wollte, weil sie die einzige Verbindung zu Lady Jacinda darstellte, die er noch hatte. Wer weiß? Vielleicht brachte die Kette ihm ja Glück?
Es klopfte.
„Aye!“ rief Blade.
Die Tür ging auf, und Nate steckte seinen Lockenkopf he- rein. „Es ist fast so weit.“
„Hat Jimmy die Kutsche bereit?“
„Fast.“ Nate schlenderte herein und schloss die Tür hinter sich. Dann rieb er sich die Hände und knackte schauerlich mit den Knöcheln.
Blade fuhr fort, langsam sein Messer zu schärfen.
„Hast du heute schon Klein-Eddie gesehen?“ fragte Nate
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