Gaelen Foley - Knight 04
schon lange nicht mehr geflirtet, und es kam keinerlei Reaktion!
Wenn Lord Drummond einer von meinen üblichen Vereh- rern wäre, würde er längst vor mir auf den Knien liegen und um meine Hand anhalten, dachte Jacinda verstimmt, aber für einen so gewandten und klugen Politiker war er auffäl- lig schwer von Begriff, wenn er immer noch nicht begriff, dass all ihre dick aufgetragenen Komplimente und ihre un- geteilte Aufmerksamkeit echte Zuneigung ausdrücken soll- ten. Stattdessen behandelte er sie wie ein amüsantes Kind. Wie seine Enkelin.
„Guck dir das Feuerwerk an, Kleine“, wies er sie ab, als sie ihn um einen Tanz bat. „Ich bin zu alt zum Tanzen.“
Jacinda schmollte, sie war beleidigt, dann versuchte sie ihn mit ihrer Anmut zu bezaubern, lehnte sich über das Ge- länder, um eine Kirschblüte zu sich heranzuziehen und sich an ihrem süßen Duft zu berauschen. Aber aus den Augen- winkeln sah Jacinda, dass er einfach weiter mit seinen alten Freunden und ein paar ausländischen Würdenträgern rede- te, die mit ihnen zusammen auf der beleuchteten Terrasse von Devonshire House saßen. Ihr schenkte er keinerlei Be-
achtung. Verärgert biss Jacinda die Zähne zusammen, ver- schränkte die Arme vor der Brust und schaute sich das blö- de Feuerwerk an.
Um halb zehn explodierten die Kanonen an Palast und Tower in dröhnendem Salut. Die Kirchenglocken begannen zu läuten und übertönten das sanfte Haydn-Menuett, das die Musiker im Ballsaal gerade angestimmt hatten. Ganz England freute sich heute über die Hochzeit ihrer fetten, fröhlichen, beliebten Prinzessin Charlotte mit dem hüb- schen Bücherwurm Prinz Leopold von Sachsen-Coburg. Ih- re Ehe war eine Liebesheirat.
Der Gedanke weckte unbestimmte Sehnsüchte in Jacinda, und leise seufzte sie auf, aber sie hatte sich entschieden. Für sie gab es nichts Verlockenderes als ihre Freiheit, und sie war entschlossen, ihren Plan zu verwirklichen.
In den vergangenen Wochen hatte sich zwischen dem griesgrämigen Veteranen-Politiker und der schönen jungen Debütantin eine ungewöhnliche Freundschaft entwickelt. Dr. Cross, der Leibarzt des Politikers, hatte ihr verraten, dass sie in den letzten zwanzig Jahren die Einzige war, die es geschafft hatte, Lord Drummond zum Lachen zu bringen. Doch mein Vorhaben entwickelt sich prächtig, dachte Ja- cinda. Lord Drummond musste nur endlich erkennen, dass sie es ernst meinte.
Aber als sie jetzt den fröhlichen Lärm der Menge hörte, konnte sie sich gegen ein Gefühl der Einsamkeit nicht er- wehren. Über den explodierenden Raketen konnte sie den Vollmond sehen. Wieder Vollmond – einen Monat war ihr Abenteuer jetzt her. Wehmütig ließ Jacinda den Blick durch den Garten schweifen, über den sich langsam die Dämme- rung senkte. Von allen Herrenhäusern in London, in denen sie gewesen war, lag dieses am schönsten – herrliche, ge- pflegte Gärten, so weit das Auge reichte. Die Devonshire- Gärten grenzten an die von Lansdowne House, und dahin- ter wiederum erstreckten sich die Gärten von Berkeley Square.
Die Nachtluft verstärkte den süßen Duft des blühenden Flieders noch; die Kirschbäume sahen mit ihren weißen Blüten wie verschneit aus, und an der Seite des Hauses rankte sich der Jasmin hoch. Lilien und Rosen umrahmten die kleinen Wanderwege, und überall waren die Knospen
dick und prall.
Während Jacinda an der Balustrade stand und der Abend- wind sanft durch die Falten ihres mandelfarbenen, hoch taillierten Ballkleides strich, hörte sie Kichern und schnelle Schritte hinter sich, und als sie sich umdrehte, sah sie Daphne Taylor und ihre Begleiterinnen durch die hohen französischen Türen kommen. Die Mädchen liefen auf sie zu, ganz tanzende Locken und wedelnde Fächer.
„Jacinda! Da bist du ja! Du musst sofort und auf der Stel- le kommen!“ verlangte Helena mit einem atemlosen Lachen und lief in einer Wolke aus rosa Taft auf sie zu.
Amelia, in gelbem indischen Musselin mit Blüten am Saum, folgte ihr. „Hier draußen ist sie, Daphne!“
„Ja, hier bin ich“, erwiderte Jacinda fröhlich und drehte sich zu ihnen um. „Was ist denn?“
Sobald es sich herumgesprochen hatte, dass Jacinda nicht Lord Griffith heiraten würde, war etwas höchst Seltsames geschehen: Daphne Taylor hatte sich schreckliche Mühe ge- geben, Jacindas Busenfreundin zu werden.
Jacinda ließ sich dadurch nicht täuschen – sie war schließ- lich keine Närrin. Die plötzliche Lieblichkeit der Königin der Saison verriet
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