Gaelen Foley - Knight 05 - Rache im Blut
nicht gelogen. Ich habe nur den Eindruck er- weckt ... dass er es bedauern würde, wenn er nicht sofort kommt“, gestand Lizzie unglücklich.
„Mit anderen Worten, Sie haben ihn glauben lassen, dass ich jeden Moment ins Gras beiße, ja?“
„Oh, ich weiß ja, dass es nicht anständig war und sich über- haupt nicht gehört, aber ich habe mir solche Sorgen um Sie gemacht, Mylady! Es ist nicht fair, wie er Sie vernachlässigt. Wenn Sie meine Tante wären, würde ich es nicht zulassen, dass Sie monatelang hier alleine herumsitzen ...“
„Ich bin doch nicht alleine, Kind“, unterbrach die alte Da- me sie sanft. „Ich habe doch Sie.“
Das Mädchen blinzelte und sah sie unsicher an.
„Sie müssen wissen, dass Sie durchaus eine Rolle für mich spielen.“
Verwundert schwieg Lizzie.
Augusta lächelte und nahm dann die junge Hand ihrer Gesellschafterin mit großmütterlichem Griff in ihre perga- mentenen Hände. „Heute Abend kann ich Ihnen eine neue Geschichte erzählen, Kind. Von all den Geschichten, die ich Ihnen über die Abenteuer meines Neffen erzählt habe, gibt es ein Kapitel in Devlins Leben, über das ich Ihnen nie ein Wort gesagt habe. Aber jetzt habe ich das Gefühl, dass es an der Zeit ist, mit Ihnen darüber zu reden.“
Lizzie hob gespannt den Kopf.
„Als mein lieber Jacob starb, erbte sein Bruder Stephen, Devlins Vater, den Titel. Er war ein ganz bezaubernder Mann. Als der jüngere Sohn wäre Stephen völlig damit zufrieden ge- wesen, sein Leben als einfacher Mr. Kimball zu verbringen, Bücher zu lesen, glücklich in sein Mikroskop zu schauen und mit seinen Hunden auf dem Land spazieren zu gehen. Aber nach dem Tod meines Mannes fiel ihm der Titel zu, den er viel zu früh an Devlin weitergegeben hat. Sie müssen wissen, dass Stephen und seine Frau Katie Rose bei einem furcht- baren Hotelbrand umkamen, als Devlin siebzehn Jahre alt war.“
„Oh, das ist ja entsetzlich“, stöhnte Lizzie mitleidig und schlug sich erschrocken die Hand vor den Mund.
Augusta nickte. „Wir haben bei dem Brand auch seine kleine Schwester Sarah verloren. Sie war erst vier Jahre alt und so ein wunderschönes, fröhliches Kind. Lange, schwar- ze Locken und blaue Augen. Sie alle waren das, was man nur ganz selten findet: eine glückliche Familie. Seine Eltern haben nämlich aus Liebe geheiratet ...“ Ihre Stimme ver- klang wehmütig, als sie an ihre eigene Ehe dachte, die sich im Gegensatz dazu auf den gesellschaftlichen Ehrgeiz ihres Vaters und die pekuniäre Zwangslage ihres Gatten gegrün- det hatte.
„Devlin war gerade in Eton, als das passiert ist, und ich sage Ihnen jetzt ganz im Vertrauen, dass er sich nie wirklich von der Geschichte erholt hat. Neben mir sind noch zwei sei- ner Onkel zu seinen gesetzlichen Vormunden bestellt worden, aber da ich die einzige Frau war, fiel mir die Rolle zu, ihn mit möglichst viel mütterlicher Einfühlsamkeit zu unterstützen. Bis zu seinem einundzwanzigsten Geburtstag war er mein Mündel. Ich hatte keine Ahnung davon, wie man einen Jun- gen erzieht, schon gar nicht einen, der so eine Tragödie erlebt hatte.“ Sie seufzte tief auf. „Devlin hat schon nach einem Jahr sein Studium hingeworfen, hat dann ein weiteres Jahr wild in London gelebt und sich schließlich, nachdem ich ein ernstes Wort mit ihm geredet hatte, auf Weltreise begeben. Ihn gehen zu lassen war das Schwerste, was ich je getan ha- be, aber ein Tapetenwechsel schien mir das einzig Richtige zu sein, um ihn von seinem Weg der Selbstzerstörung abzubrin- gen. Und es schien auch zu wirken. Er war fast drei Jahre lang in der Karibik und in Amerika, kam nur kurz zurück, um mich zu besuchen, und fuhr dann wieder los, diesmal nach Indien.
Ich weiß gar nicht genau, wo er auf dieser zweiten Reise über- all gewesen ist“, fuhr Lady Strathmore fort. „Aber er sagte, er sei nach Norden in die asiatische Steppe und bis Moskau gekommen, wo er Napoleons Rückzug miterlebt habe.“ Augus- tas Augen richteten sich in die Ferne. „Er war an wilden und einsamen Plätzen dieser Welt. Wissen Sie, meine Liebe, seit er seine Familie verloren hat, hat er nie wieder jemanden nahe an sich herangelassen. Das ist der Grund, warum er nicht oft hierher kommt – nicht, weil er mich nicht liebt, sondern weil er mich liebt und zu viel Angst vor der Tatsache hat, dass er früher oder später auch mich verlieren wird.“
„Aber Mylady, was Sie mir da erzählen – der Brief, den ich ihm geschrieben habe mit einer – einer Drohung,
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