Gaelen Foley - Knight 06
Humor, Klugheit, Herzenswärme, Sinnlichkeit. Er hat- te sich sogar an ihre gelegentlichen Anflüge von Eigensinn ge- wöhnt.
Ihr Unabhängigkeitsdrang überraschte ihn, ihr Mangel an Vertrauen in die Welt rief in ihm den Wunsch hervor, sie zu be- schützen. Und das Vertrauen, das sie in ihn gesetzt hatte, das wollte er nicht mit Füßen treten, sondern es wert sein.
Nach und nach erhielt Alec Einladungen für verschiedene Sommerfeste, die in oder in der Umgebung von Brighton ver- anstaltet wurden, aber meistens lehnte er höflich ab. Sich selbst gegenüber begründete er das damit, dass er mit den Bemühun- gen, die fünftausend Pfund zusammenzubringen, die sie für ihr
Haus brauchten, zu sehr beschäftigt sei. Tatsächlich aber lock- ten ihn die Bälle und Nachmittagsgesellschaften wenig, wenn er die Zeit stattdessen amüsanter mit seiner Demoiselle in der Villa verbringen konnte.
Nun, es wäre auch unklug, sie zu viel allein zu lassen, überleg- te er, gerade in Anbetracht der Unsicherheit, die sie wegen ih- rer Situation empfand. Von Natur aus war er kein Einzelgänger, aber es bereitete ihm großes Vergnügen, sie zu unterhalten und seine Erforschung ihres Wesens weiter voranzutreiben.
Sie verbrachten träge, sonnige Tage miteinander und warme, sternenklare Nächte. Wenn man es vermeiden konnte, von den Mitgliedern der tonangebenden Gesellschaft gesehen zu wer- den, wenn man nicht unbedingt Abwechslung brauchte, dann war es umso besser. Zweifellos wäre es sofort Gespräch, wenn Alec Knight in Begleitung einer jungen Lady gesehen würde. Je weniger die Außenwelt von ihnen wusste, desto sicherer würde Becky sein.
Abgesehen davon gefiel es ihm ganz gut, sie für sich allein zu haben. Nicht, dass er sie einsperren wollte, keineswegs, aber so merkwürdig es war – es kam ihm vor, als hätte er zusammen mit Becky innerhalb der hohen Mauern des Gartens, in der Som- mervilla der Familie seine eigene Welt gefunden.
Nicht einmal Lizzie hatte ihn so in den Bann gezogen. Re- becca Aboukir Ward war einfach anders als alle anderen Frau- en, die er kannte. Man wusste nie, welche bizarren, vom Landle- ben geprägten Ansichten als Nächstes von ihr geäußert würden. Sie erstaunte ihn, entzückte ihn, kitzelte seine sensiblen Seiten hervor, von denen – wie sich zu seiner Überraschung heraus- stellte – es unter seinem undurchdringlichen Panzer doch einige gab. Er mochte das Mädchen ganz einfach und konnte von ihrer Gesellschaft nicht genug bekommen.
Seine Freunde waren nun in Brighton eingetroffen, aber selbst vor ihnen verheimlichte Alec ihre Anwesenheit. Er wuss- te, sie würden es nicht verstehen. Ihrer Meinung nach verhielt er sich in der letzten Zeit sowieso schon viel zu exzentrisch, aber wenigstens hatte er nicht länger seine „Launen“. Vielleicht zum ersten Mal in seinen einunddreißig Lebensjahren war Alec Knight einfach nur glücklich und ganz er selbst.
Am Strand, der hinter der Villa verlief, unternahmen sie lange Spaziergänge. Oft picknickten sie dort auch, warfen den Möwen
Brotkrumen hin und beobachteten andere Wasservögel – ei- nen langschnabeligen Austernfischer und einige schwarzköpfi- ge Lummen. An einem wolkenlosen Nachmittag mietete er ein paar Pferde, und er unternahm mit ihr einen Ausritt, um in der Grafschaft Sussex Arundel Castle zu besichtigen und ein paar Klippen, die über das Meer ragten.
Nach einem kleinen Imbiss, den sie auf dem windigen Kap einnahmen, fanden sie sich in einem leidenschaftlichen Kuss wieder, lagen einander auf dem weichen grünen Rasen in den Armen, der den einsamen Aussichtspunkt begrenzte.
Jeden Abend ging er in den Klub oder zu einem der weni- gen seriösen Spielsalons und brachte seine Gewinne zu ihr nach Hause – wofür er reichlich belohnt wurde. Tatsächlich fanden ihre amourösen Begegnungen beinahe täglich statt, ebenso auf- regend wie die vorherigen. Becky genoss die Liebesspiele eben- so sehr wie er, und er fand es beinahe unmöglich, ihr zu wider- stehen.
Manchmal erschien in ihren Augen dieser besondere Glanz, und er entdeckte dieses sinnliche Lächeln bei ihr, wenn sie einladend an ihm vorbeiging und dabei so unschuldig wirkte, während ihr gesamter Körper ihm jedoch sagte: „Berühre mich. Nimm mich. Komm mit mir.“ Sie wollte ihn in sich spüren, aber vor allem sehnte sie sich nach seiner Liebe. Das erkannte er in ihren schönen Augen. Sie wartete. Er kämpfte dagegen an, ohne zu wissen warum. Aus irgendeinem Grund hielt er sich
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