Gaelen Foley - Knight 06
Spielkarten vom Wind davongeweht. Und vor ein paar Nächten war sie aus einem bösen Traum aufgewacht, in dem sie noch einmal den russischen Gefangenen im Torhaus entdeckte und zusehen musste, wie er im Moor ermordet wurde. Alec hatte sie getröstet, und den Rest der Nacht hatte sie in sei- nen Armen geschlafen.
Ihre liebste Erinnerung war aber jene, als sie eines Abends das Astronomiebuch im Salon gefunden hatten. Sie waren zum Strand gegangen, hatten Decken und Wein mitgenommen und Sternbilder gesucht. Gefunden hatten sie allerdings etwas an- deres, ebenso stumm, aber noch geheimnisvoller. Während sie sich in die Decken eingehüllt hatten, sich gegenseitig wärmten und versuchten, die seltsamen Muster am Himmel bestimm- ten Sternenkonstellationen zuzuordnen, spürte sie das Band, das zwischen ihnen entstanden war, das sich entwickelte und
wuchs. Vielleicht hatte auch er es wahrgenommen, denn Alec war neben ihr verstummt und hatte seinen Arm um sie gelegt. Auf dem steinigen Strand war es auf Dauer unbequem gewe- sen, doch keiner von ihnen hatte sich beklagt. Sie erinnerte sich daran, wie er sie berührt hatte, als er ihr eine Haarsträhne aus dem Gesicht strich. Sie erinnerte sich, wie er seine Hand zum Himmel ausgestreckt und auf eine Sternschnuppe gedeu- tet hatte. Sie war zu schnell wieder verschwunden, als dass Becky einen Wunsch hätte aussprechen können, aber mit Alec neben sich gab es auch kaum etwas, was sie noch wünschen konnte.
Als dieser um halb drei endlich vom Spiel zurückkam, war Becky über ihrer Strickarbeit eingeschlafen. Alec beugte sich zu ihr hinab, lächelte und weckte sie mit einem Kuss auf die Wan- ge.
„Hallo, Liebes.“
Als sie erwachte, begegnete sie dem Blick aus seinen strah- lenden kobaltblauen Augen. Er lächelte ihr zu und warf sie- benhundertfünfzig Pfund auf den Tisch, auf dem sie ihr Garn abgelegt hatte.
Mit offenem Mund blickte sie zu ihm auf. „Du hast es ge- schafft“, stieß sie hervor. „Das war es jetzt. Du hast das ganze Geld gewonnen.“
„Das stimmt“, meinte er.
Sofort sprang sie auf, warf sich ihm in die Arme und hüpf- te auf und nieder. Sie feierten mit triumphierendem Gelächter, Küssen und französischem Champagner – derselben Sorte, die sie an ihrem ersten Abend in Althorpe getrunken hatten. Für diese Gelegenheit hatten sie die zweite Flasche, die damals in dem Korb war, aufbewahrt. Als Nächstes musste Alec Michail überzeugen, ihm Talbot Old Hall zu verkaufen, aber es war im- mer noch Zeit genug, darüber nachzudenken – der Ball fand erst in zwei Tagen statt. Jetzt feierten sie erst einmal seinen Sieg.
Sie wusste, wie viel ihm das bedeutete. Mitten im Salon tanz- te er mit ihr einen Walzer, ganz ohne Musik.
„In Kürze wirst du wieder bei dir zu Hause sein“, erklärte er.
Aber während Becky ihm zulächelte, dachte sie darüber nach, ob Talbot Old Hall wohl noch ihr Zuhause sein würde, wenn Alec nicht bei ihr war.
Nach der langen Nacht schlief Alec am nächsten Tag bis weit nach Mittag. Sie brannte darauf, dass er aufstand, aber sie brachte es nicht fertig, seine wohlverdiente Ruhe zu stören. Da- her beschloss sie, sich ihrer liebsten Beschäftigung zu widmen, legte eine Schürze an und nahm sich vor, ihren Helden mit ei- nem ihrer viel gepriesenen Puddings zu belohnen.
Sie kniete neben der Feuerstelle in der Küche nieder, entfach- te mit den Scheiten, die noch von der morgendlichen Zuberei- tung heißen Kaffeewassers glühten, ein neues Feuer und hängte zwei Kessel mit Wasser an die Feuerhaken.
Anschließend richtete sie sich wieder auf und wischte sich den Schweiß von der Stirn. Die Küche war allein durch die Hitze des Julinachmittags schon heiß genug. Sie nahm das Dekollétetuch ab, das sie in den tiefen Ausschnitt ihres geliehenen Hauskleides gesteckt hatte, und fächelte sich damit ein wenig Kühlung zu. Da sie mit den Temperaturen in einer Küche vertraut war, hat- te sie bereits auf jeden Anstand verzichtet und weder Strümp- fe noch Unterrock oder Korsett angezogen. Alles, was sie unter dem hübschen, einfachen Kleid aus rosa Musselin trug, waren ein Hemd und ein paar leichte Schuhe.
Die Sommersonne wärmte die großen Bodenfliesen aus Ter- rakotta und brachte die Kupfertöpfe zum Glänzen, die von der Decke hingen. Becky nahm ein Tuch, das zum Trocknen an ei- nem Haken hing, breitete es aus und tat es behutsam in einen größeren, mit Wasser gefüllten Topf, wo es obenauf schwamm. Danach ging sie zu dem großen
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