Gaelen Foley - Knight 06
Jungfrau zu ihm gekommen war.
„Ich habe das entsetzliche Gerücht gehört, dass du ein Mönch geworden bist“, fuhr Eva fort und unterbrach den Fluss seiner
Gedanken. „Ich weiß, es klingt unmöglich, aber das ist es, was man sich erzählt“, fügte sie hinzu, als Alec sie stirnrunzelnd an- sah. „Seit Wochen hat keine meiner Freundinnen sich an deiner Gesellschaft erfreuen können, und ich weiß, dass du nur selten eine Dirne aufsuchst. Was also ist los?“
Er warf einen Blick auf die Wanduhr. „In zehn Minuten muss ich beim Regenten sein. Ich bedaure, diesen Besuch abbrechen zu müssen, aber ich muss jetzt wirklich gehen.“
„Nicht ehe du mir gesagt hast, was los ist, du Schuft. Viel- leicht kannst du allen anderen mit deinen Schauspielerattitü- den etwas vormachen, aber ich kenne dich viel zu gut.“
„Du kennst mich überhaupt nicht, Eva“, erwiderte er ruhig. „Du hast mich nie gekannt.“
Sie legte den Kopf schief. „Hast du dir eine Mätresse genom- men?“
Alec fühlte, wie sein Geduldsfaden immer dünner wurde. „Ich glaube nicht, dass dich das etwas angeht.“
„Mich nichts angeht? Liebling, stets auf dem Laufenden zu sein, wer mit wem schläft, ist ein Nationalsport. Und du, mein Lieber, wenn die Liebe unser Sport ist, so bist du der Champi- on, der ...“
„Halt den Mund!“
„Ah, da ist er, der Funken!“, flüsterte sie und trat näher. „Du warst so kühl, ich fürchtete, er wäre erloschen. Abgenutzt viel- leicht.“ Sie hatte ihn immer gern geneckt. Vor allem, wenn er so zugeknöpft war. Es war ein vertrautes Spiel. Je wütender er wurde, desto mehr erregte es sie. „Was rieche ich da an dir?“, flüsterte sie, ging um ihn herum und schnupperte. „Es riecht nach Lust, du böser Junge. Mit wem warst du im Bett?“
Seine Geduld war erschöpft. Er wich vor ihrer Berührung zu- rück. „Zum Teufel, fort mit dir! Ich will dich nicht mehr, Eva. Verstehst du das nicht?“
„Was ist nur in dich gefahren?“
„Ich“, ließ sich in diesem Augenblick eine Stimme von der Tür her vernehmen.
Es war Becky. Sie klang ruhig und gleichmütig.
Alec zuckte zusammen, dann schloss er mit schmerzerfüllter Miene die Augen. Lieber Gott, warum nur?
Zu spät. Langsam senkte er den Kopf, während er fühlte, wie sein Herz brach ...
11. KAPITEL
In der Tür lehnte Becky, die Wangen noch gerötet von Alecs Lei- denschaft, und barfuß, die Schuhe in der Hand. Der Pudding musste abkühlen, und sie wollte in ihr Schlafgemach gehen, um sich nach ihrer heißen, zuckersüßen Umarmung zu säubern. Während sie auf Zehenspitzen die Treppe hinaufging, einge- denk Alecs Warnung, sich nicht zu zeigen, hatte sie das Lachen einer Dame gehört und war stehen geblieben. Suchend hatte sie sich umgesehen, um herauszufinden, woher es kam. Eine Frau, die den ehemaligen Captain aller Londoner Dandys heiraten wollte, musste auf alles gefasst sein. Das hört sich nicht nach seinen Freunden an, hatte sie gedacht.
Nun, wer also war es?
Erstaunt darüber, wie heftig der Wunsch war, ihr Territori- um zu verteidigen, war sie nachsehen gegangen. Wenig hatte sie von dem Gespräch hören können, und sie hatte den Zusam- menhang nicht verstanden, was wohl auch besser war. Denn sonst würde sie einige unerfreuliche Mutmaßungen anstellen über den Mann, mit dem sie seit kaum einer Stunde verlobt war. Das war kein Anfang für ein gemeinsames Leben. Alec sollte ihr das lieber selbst erklären. Was sie sah, gefiel ihr je- doch noch weniger.
Sein Besuch war eine schlanke Brünette in einem gelben Kleid. Becky war gerade rechtzeitig gekommen, um zu sehen, wie sich die Frau an ihn heranmachte, obwohl er sich zurück- hielt, so gut er konnte. Sie sah sehr elegant aus, war ein paar Jahre älter als er, und die diamantenen Armbänder, die sie über den langen gelben Handschuhen angelegt hatte, kündeten von geradezu ordinärem Reichtum. Das Haar trug sie modisch kurz geschnitten, ihre Züge waren edel, doch die Schminke konnte die Spuren eines ausschweifenden Lebens nicht verbergen. Die perfekt frisierte Lady fuhr herum und blickte zur Tür, von der aus Becky ihre Bemerkung eingeworfen hatte. Jetzt kniff sie die schwarzen, ausdruckslosen Augen zusammen.
In dem Augenblick, da ihre Blicke sich begegneten, spürte Be-
cky eine Feindseligkeit, die so groß war, dass sie ihr die Nacken- haare zu Berge stehen ließ. „Würden Sie mich unserem Gast bit- te vorstellen, Mylord?“, brachte sie schließlich heraus, in einem
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