Gaelen Foley - Knight 06
Augen.
Noch immer erstaunte es sie, dass er seine Räume im Althorpe House für sie gesetzt hatte. Wenn er bei dem Whistturnier verlor, würde er genauso heimatlos sein wie sie. Was sie dann tun wür- den, daran wollte sie nicht einmal denken. Aber heute wirkte er irgendwie anders. Souveräner.
Plötzlich erwachte ihre Aufmerksamkeit wieder, und sie schob die Überlegungen beiseite, als sie sah, wie Parthenia zu einem der Badekarren zurückging. Perfekt. Becky drehte sich um und schwamm mit ruhigen Zügen in dieselbe Richtung. Als die Tochter des Dukes mit Unterstützung der Badehelferinnen die Leiter hinaufstieg, war Becky direkt hinter ihr. In dem wa- ckeligen Vehikel angelangt, zog sie rasch die kleine Tür zu und verschloss sie.
„Sagen Sie mal!“, rief Parthenia aus, die sich gerade die Oh- ren trocknete. „Madam, was machen Sie da? Dies ist ein privater Badekarren!“
„Lady Parthenia, ich muss mit Ihnen in einer Angelegenheit von äußerster Dringlichkeit sprechen.“ Becky zog an einem Strick und ließ damit die Glocke läuten, das Zeichen für den Jungen, das Pferd zum Strand zurückzuführen.
„Wer sind Sie?“, fragte die Tochter des Dukes. In ihrer Stimme lag eine Mischung aus Hochmut und Misstrauen.
„Eine Freundin.“
„Keine Freundin von mir. In meinem ganzen Leben habe ich Sie noch nie gesehen. Was soll dieses Eindringen bedeuten? Er- klären Sie sich!“
Nun, zumindest erkennt sie mich nicht, dachte Becky. „Wir haben wenig Zeit. Ich bin gekommen, um Sie zu warnen, Myla- dy. Ich fürchte, Sie sind in Gefahr.“
„Gefahr? Was um alles in der Welt – welche Art von Gefahr?“
„Die Gefahr, öffentlich bloßgestellt zu werden – und vielleicht den größten Fehler Ihres Lebens zu begehen.“ Der Hauch von Theatralik und Melodram, den sie ihren Worten absichtlich bei- gefügt hatte, bewirkte, dass sie Parthenias vollkommene Auf- merksamkeit gewann.
Alec, der Sohn eines Schauspielers, wäre stolz auf mich, dachte sie.
Becky ließ sich auf der Bank gegenüber von Parthenia nieder, während der Badekarren langsam zum Strand bewegt wurde. „Mylady, ich bin eine Waise eines Marinesoldaten“, sagte Becky und folgte damit der Geschichte, die sie sich zusammen mit Alec ausgedacht hatte. „Sie haben mir, meiner Mutter und meinen kleinen Schwestern und Brüdern mit Ihrer Wohltätigkeit wäh- rend des Whistturniers geholfen.“
„Habe ich das?“
„O ja – und damit sind Sie unsere Wohltäterin geworden. Je- den Abend an unserem bescheidenen Tisch beten wir für Sie, all meine sieben jüngeren Geschwister, ich und unsere arme, kran- ke alte Mutter.“
„Das ist ja ganz reizend“, erwiderte Parthenia geschmeichelt.
„Natürlich möchte ich nicht, dass Ihnen Schaden zugefügt wird, nach all dem Guten, das Sie für uns getan haben. Ich soll- te nicht hier sein, es könnte mich meine Stellung kosten. Aber meine Mutter sagte, wir seien es Ihnen schuldig, Sie zu warnen vor der Gefahr, die Ihnen droht.“ Becky tat so, als würde sie sich nervös umdrehen, dann senkte sie die Stimme. „Wissen Sie, My- lady, ich bin in Stellung in dem Haushalt eines sehr wichtigen Mannes der Regierung.“
„Whig?“
„Tory. Ein vornehmer Lord, mit Beziehungen zum Foreign Office.“
„Ich verstehe.“ Becky meinte beinahe zu sehen, wie Parthe- nias Verstand zu arbeiten begann, um herauszufinden, wer die- ser natürlich erfundene Tory sein könnte.
„Ich hörte, wie mein Herr und einige seiner Verbündeten ein paar unerfreuliche Dinge über“, jetzt flüsterte Becky nur noch,
„Prince Michail Kurkow besprachen.“
Parthenia zog die rechte Braue hoch. „Tatsächlich.“
„Ich weiß, ich sollte nicht die Gespräche meines Dienstherrn belauschen, aber während ich – äh – in der Halle abstaubte, ver- nahm ich, wie mein Herr in seinem Arbeitszimmer mit ein paar Gentlemen aus dem Foreign Office sprach und sagte, man habe so etwas wie ein Geheimnis, einen Makel bei Prinz Kurkow ent- deckt – zu Hause in Russland“, fügte sie hastig hinzu. „In Lon- don hätte man noch nichts davon erfahren, doch das würde sich bald ändern.“
„Was für einen Makel?“, fragte Parthenia skeptisch. Doch sie wirkte besorgt.
Ausgezeichnet, dachte Becky. Sie hat den Köder geschnappt. Vielleicht hatte Parthenia bemerkt, während er ihr den Hof machte, dass Michail nicht völlig vertrauenswürdig schien.
„Ich weiß es nicht, Mylady. Ich wollte nicht aufdringlich sein. Aber es klang ernst, und ich muss
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