Gaelen Foley - Knight 06
die Schulter hinweg einen Blick zu. „Sie werden es tun. Ich weiß es nicht, Alec. Das ist nicht dein Problem. Irgendwie werde ich es hinbe- kommen. Schließlich ...“ Sie holte tief Luft und nahm all ihren Mut zusammen. „Das Recht ist auf meiner Seite.“
„Genau wie bei mir“, sagte er leise und blickte ihr nach.
Sie konnte einen in den Wahnsinn treiben.
Alec biss die Zähne zusammen. Er war es nicht gewohnt, von einem weiblichen Wesen auf diese Weise zurückgewiesen zu werden. Das Mädchen hatte etwas an sich, das ihn auf die Pal- me brachte.
„Und was war mit letzter Nacht?“, rief er zornig. „War alles zwischen uns nur eine Lüge?“
Sie hatte sich noch nicht so weit von ihm entfernt, dass sie ihn nicht hören konnte, und sie blieb abrupt stehen. Er sah, wie sie erstarrte und dann den Kopf senkte.
Alec holte sie ein, aber sie wollte ihn nicht anblicken. „Tu mir das nicht an, Alec“, sagte sie. „Bitte lass mich einfach gehen.“
„Das kann ich nicht, Becky. Und ich werde es auch nicht. Wir sind jetzt aneinander gebunden. Es gibt Blutsbande zwischen uns. Letzte Nacht hast du mir deine Jungfräulichkeit geschenkt, heute tötete ich zwei Menschen, um dein Leben zu retten. Das sind Geschehnisse, die du nicht einfach ignorieren kannst.“ Er legte eine Hand auf ihre Schulter und drehte sie behutsam zu sich herum. „Woran liegt es, dass du mir nach alldem noch im- mer nicht vertrauen kannst?“, fragte er. „Gott weiß, dass ich kein Heiliger bin, aber bin ich so schlecht?“
„Darum geht es nicht“, flüsterte sie.
„Worum dann, Süße?“ Als er ihr sanft eine Haarsträhne hin- ters Ohr schob, erschauerte sie. Die Anziehung zwischen ihnen
war sofort wieder zum Leben erwacht, als wäre sie nie weg ge- wesen. „Sag es mir. Schließ mich nicht aus. Lass mich wissen, was dich schmerzt.“
Sie sah ihn an und zeigte ihm dann ihre blutverschmierte Handfläche. „Siehst du es nicht, Alec? Ich will nicht, dass dein Blut an meinen Händen klebt. Noch kannst du entkommen und nicht in all das hier verwickelt werden.“
„Nein, mein Liebling.“ Er umfasste ihr Gesicht mit beiden Händen. „Diese Gelegenheit habe ich verpasst. Ich bin in dei- ne Geschichte verwickelt, ob es dir gefällt oder nicht. Du musst mich nicht beschützen. Sag mir einfach, worum es geht.“
So wenig sie es auch wollte, aber Becky musste schließlich einsehen, dass er recht hatte. Sie hatte ihn da mit hineinge- zogen, und sie hoffte nur, dass sie beide es nicht bald bereuen würden.
Das habe ich nicht gewollt, dachte sie. Sie hatte versucht, ihn zu schützen.
Alec wiederum wirkte nicht eingeschüchtert von dem, was ih- nen vielleicht bevorstand. Wie es schien, war der Krieger in dem elegant gekleideten Genussmenschen erwacht. Reglos stand er an ihrer Seite, bereit zu handeln. Sein starker Körper schien zu beben vor Kraft, die Sonne ließ sein goldenes Haar noch mehr glänzen, und seine tiefblauen Augen hielten ihrem Blick stand. In ihnen entdeckte sie Entschlossenheit, Klugheit und Bereit- schaft, ihre Feinde zu bekämpfen.
Nicht einmal in der vergangenen Nacht hatte er so verführe- risch gewirkt wie in diesem Moment. Die Selbstverständlich- keit, mit der er sich der Sache stellen wollte, rührte ihr tiefstes Inneres.
Nein, sie betrachtete ihn mit neuem Respekt und erkannte, dass dieser Mann ihren Schutz nicht brauchte.
Es stimmte. Sie benötigte seine Hilfe, ob sie wollte oder nicht – ob es richtig war oder nicht. Ihr Dorf verließ sich auf sie. Sie durfte nicht nur an sich selbst denken, an ihren Stolz oder Alecs Wohlergehen. Jetzt, da Michail es geschafft hatte, vor ihr bei Westland anzukommen, war das Problem noch größer ge- worden. Gott allein mochte wissen, welche Lügen ihr Cousin dem Duke und seinem Personal über sie erzählt hatte, denn der Butler und die Lakaien hatten sie wie eine Wahnsinnige behan-
delt, die aus dem Irrenhaus ausgebrochen ist. Vielleicht konn- te Alec, weltgewandt wie er war, sie dabei unterstützen, einen neuen Plan zu fassen. Tatsächlich war ihr der Gedanke höchst willkommen, einen Verbündeten zu haben, wenn alle Hoffnung sie verlassen hatte. Vor allem einen, der keine Angst zu kennen schien und bewiesen hatte, dass er erstaunlich gewandt mit ei- nem Schwert umzugehen wusste.
Sie begriff, dass ihr keine Wahl blieb, als ihren Stolz zu ver- gessen und das zu tun, was ihr am schwersten fiel: um Hilfe zu bitten.
Und zu vertrauen.
Er legte einen Arm um sie, schenkte ihr ein
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