Gaelen Foley - Knight 06
mit allen anderen Wertsachen, die gefunden wurden. In jenen Tagen hatten die Talbots sich auf die Seite der Cavaliers geschlagen. Die Lilien? Sie dachte über diese seltsame Botschaft nach. Falls einst auf Talbot Old Hall Lilien wuchsen, so hätten sie längst ihre Kraft zum Blühen verloren. Sie hatte jedenfalls bislang keine in den Gärten entdeckt. Doch dann fiel ihr etwas ein. Natürlich!
Das alte Torhaus!
Es stand am Ende des überwachsenen Platzes, an dem die al- te Auffahrt einst auf die Landstraße getroffen war. Es war ein altes Gebäude, efeubedeckt und verfallen, aber auf dem klei- nen Mansardendach war als Verneigung vor den normannischen Vorfahren des ersten Lord Talbot ein Kupferbild in Gestalt ei- ner Fleur-de-Lis angebracht worden.
Zwischen den Lilien ...
Konnte die „Rose of Indra“ noch immer irgendwo im Innern des Torhauses versteckt sein? Wie wunderbar wäre es, wenn das stimmte. Ihr Puls raste vor Aufregung, ihre Augen strahlten bei dieser unglaublichen Möglichkeit. Wenn sich der Edelstein noch im Torhaus befand und wenn sie ihn mit sehr viel Glück ent- deckte, dann vielleicht könnte sie versuchen, eine vertrauens- würdige Bank zu finden, um Talbot Old Hall zu erstehen und Michail für immer fortzuschicken – natürlich nur vielleicht.
Bis dahin wäre es ein weiter Weg, aber jetzt war das ihre ein- zige Hoffnung, und wenn es funktionierte, dann würde sie dafür sorgen, dass alles besser wurde, nicht nur für sie selbst, sondern für alle in Buckley-on-the-Heath. Sie musste es versuchen.
Heute Nacht.
„Nun, offensichtlich ist es dir gelungen, ihn zu finden“, sagte Alec nach langem Schweigen.
Becky steckte das Ende des Verbandes an seinem Arm fest und nickte, wobei sie es vermied, ihm in die Augen zu sehen. Sie fühlte, dass er sie musterte, fühlte den aufmerksamen Blick des Spielers auf ihrem Gesicht.
„Im Torhaus hast du etwas gesehen, womit du nicht gerechnet hast.“ In seinen blauen Augen funkelte es. „Etwas, was du nicht sehen solltest?“
Sie schluckte schwer und nickte. Etwas Entsetzliches. Zö- gernd wandte sie sich ab und blickte zu dem Erzengel hinauf, der mit der Schlange kämpfte.
„Becky?“, flüsterte er und lenkte ihre Aufmerksamkeit wieder auf sich, indem er sanft über ihren Arm strich.
Mit aufgewühltem Blick betrachtete sie ihn. „Wenn ich dir den Rest erzähle, gibt es für dich kein Zurück mehr.“
„Ich will gar nicht zurück, Becky.“ Er nahm ihre Hand. „Ich bin auf deiner Seite“, sagte er leise. „Alles, was du mir erzählt hast, bestärkt mich nur in meinem Entschluss, dir zu helfen.“ Sie beugte sich näher zu ihm und küsste ihn auf die Wange. „Danke.“
Er nickte, und dann berichtete sie das Ende ihrer dunklen Ge- schichte ...
Die Nacht war vollkommen still, als sie sich aus dem Gebäu- de stahl. Einen Moment verbarg sie sich in der Dunkelheit der
Mauern, während sie die Umgebung nach Michails Wachen ab- suchte. Die Kosaken waren nirgendwo in Sicht. Becky betete, dass sie nicht ins Dorf zurückgekehrt waren, um noch mehr Är- ger zu verursachen.
Beruhigt, dass die Luft rein war, eilte sie durch dichtes Ge- strüpp zum alten Torhaus. Beim Laufen schlug ein kleiner Beu- tel mit Werkzeug gegen ihre Hüfte. Viel befand sich nicht darin, nur eine Kerze, eine Schachtel mit Zündhölzern und ein kleiner Spaten.
Sie lief durch den Küchengarten und über die Kutschenauf- fahrt, ihre Schritte knirschten leise auf dem Kies, ehe sie den Rasen erreichte und unbehelligt ihren Weg weiter verfolgen konnte.
Wieder einmal hatte sie die geheimen Gänge benutzt, um das Haus ungesehen verlassen zu können, nachdem sie abgewartet hatte, bis es draußen stockfinster war. Jetzt war sie ganz da- rauf konzentriert, die „Rose of Indra“ zu finden. Zwischen den Lilien ...
Weiter vorn lagen, schattig und geheimnisvoll, die Wälder, da- rüber zogen Wolken über den sichelförmigen Mond.
Sie wappnete sich mit gutem Zureden, als sie die ersten mäch- tigen Bäume passierte. Sie musste nun langsamer gehen, sich den Weg durch Ranken und Büsche bahnen. Es war so dunkel, dass sie beinahe das Dach des Torhauses übersehen hätte, das fast vollkommen von Efeu bedeckt war. Sie wechselte die Rich- tung, stieg über einen umgestürzten Baumstamm und zuckte zusammen, als in der Nähe eine Eule schrie.
Schließlich erreichte sie das steinerne Torhaus, umrundete wachsam die Außenmauern, bis sie die Seite fand, die früher zur Straße gezeigt hatte. In der
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