Gaelen Foley - Knight 06
zerrten Dor- nen und Zweige an ihnen. Sie erreichten das offene Moor und eilten weiter, obwohl die Schritte des Russen bereits langsamer wurden.
„Kommen Sie, Sie schaffen es! Ich kenne mich hier aus.“ Er schien die Bedeutung ihrer Worte zu verstehen, als sie ihn weiter antrieb. Hinter den Wäldern tauchte die Heide mit ihren niedrigen Büschen und dem leicht unebenen Boden auf, dort
boten sie ihren Verfolgern, die sie nun erspäht hatten, ein leich- tes Ziel. Als die Kugeln über ihre Köpfe flogen, schrie Becky auf, aber der Russe blieb ruhig und versuchte, sie mit seinem Körper zu schützen.
Ein Lord. Ein Gentleman, ohne Zweifel.
Die Kosaken wurden von Michail angeführt, denn jetzt ver- nahm sie die Stimme ihres Cousins, der seinen Männern auf Russisch Befehle erteilte.
Dann hörte sie, wie er sie rief. „Rebeccaaaaaa! Rebecca! Komm hierher zurück!“
Der Gefangene stieß einen erstickten Schrei aus, als ein Ge- wehrschuss durch die Luft hallte. Der Mann, den sie gerade be- freit hatte, fiel vornüber auf den Boden. Man hatte ihn in den Rücken geschossen.
Sie schrie auf und sank neben ihm auf die Knie. „Oh, mein Gott!“
Er vermochte kaum den Kopf zu heben, und sie wusste, dass er im Sterben lag, als er auf den Horizont deutete. Kein Englisch war nötig, damit er sich verständlich machen konnte. „Geh!“
Er riss ein kleines Medaillon mit einem Marienbild von sei- nem Hals und presste es ihr in die Hand. Weinend drückte sie ihm kurz darauf die Augen zu, stand auf und starrte die bewaff- neten Männer zwischen den Bäumen wütend an.
Im Mondlicht erkannte sie Michails ausgestreckten Arm. Er bedeutete seinen Männern, nicht zu schießen. Weitere Kosaken lenkten ihre Pferde heran.
„Es ist zu spät, Rebecca“, rief er über das Moor hinweg. „Komm freiwillig zurück, und dir wird nichts geschehen. Lass mich dich nicht jagen.“
Du Ungeheuer, dachte sie und wandte ihm den Rücken zu, in ihren Augen brannten Tränen. Dann setzte sie sich in Bewe- gung und lief schneller als je zuvor in ihrem Leben. Sie hatte ei- nen guten Vorsprung gegenüber den Kosaken, immerhin kannte sie das Terrain weitaus besser als ihr Cousin und die anderen Krieger. Der unebene Boden und die vielen Löcher, gegraben von zahllosen Tieren, verschafften einem Menschen zu Fuß ei- nen Vorteil gegenüber jedem Reiter, der seinem Pferd nicht die Beine brechen wollte.
Sie sprang über einen großen Stein und hastete durch eine Senke, folgte der Landschaft und nutzte die Dunkelheit, um
zu entkommen. Jeder Schritt erschütterte ihren ganzen Körper, aber sie eilte weiter.
„Rebeccaaa!“
Sie achtete nicht auf ihren Cousin, sondern lief nur noch schneller.
Seine Stimme wurde leiser, aber seine zuletzt ausgesproche- ne Drohung erschütterte sie bis ins Mark: „Wenn du nur einen Schritt gegen mich unternimmst, werde ich dein Dorf nieder- brennen!“
Als sie in die Gegenwart zurückkehrte und wahrnahm, dass sie sich in der stillen kleinen Kirche befand, fühlte Becky, wie die dunklen Schatten dieser Erinnerungen sie noch immer in Bann hielten.
Alec sah sie eindringlich an und überlegte, was sie gerade er- zählt hatte. Besorgt beobachtete sie ihn und suchte in seinem Gesicht nach einer Reaktion. Wenn er ihr nicht glaubte, so wür- de sie nicht weitermachen können. Sie biss sich auf die Zunge und wartete, bis er das Schweigen brach. Doch statt etwas zu sagen, streckte er die Hand aus und nahm ihre in seine.
Tränen brannten ihr in den Augen.
Er zog sie in seine Arme. Zitternd vor Dankbarkeit schloss sie die Augen und gewann neue Kraft aus seiner Umarmung. „O Alec, ich fühle mich so schrecklich. Deswegen wollte ich dich nicht in diese Geschichte hineinziehen, verstehst du? Ich bin schon verantwortlich für den Tod dieses Mannes.“
„Nein, Liebes, du hast versucht, ihn zu befreien“, rief er zärt- lich aus. „Du hast versucht zu helfen. Sie haben ihm das Leben genommen.“ Er hielt sie, fest und doch sanft, und sie spürte, wie er sie beschützte, als er ihr übers Haar strich. „Vermutlich ver- dankte er dir die einzige Chance zur Flucht. Du hast das Rich- tige getan.“
„Ich habe es versucht, aber es war nicht genug.“
„Die meisten Menschen wären davongelaufen. Du bist trotz deiner Angst geblieben und hast ihn da herausgeholt.“
Sie schüttelte den Kopf. „Wie konnte ich so blind sein? Ich kann nicht glauben, dass sich das alles direkt unter meinen Au- gen abgespielt hat. Ich weiß immer noch
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