Galdäa. Der ungeschlagene Krieg (German Edition)
gehalten, irgendein Problem mit irgendeiner Pille zu lösen. Der war Pilot gewesen, ein Gesundheitsfanatiker. So jemanden könnte ich gut brauchen, dachte Michael Sanderstorm. Gewaltsam beendete er diesen Gedankengang. Er führte zu gar nichts.
Michael schaute über das Panorama, das langsam versank. Wie mochte wohl die Aussicht vom Schwarzen Turm sein – gegen den wirkte selbst der höchste Wolkenkratzer Pentas nicht bedeutender als ein Pickel. Und wie konnte eine zurückgebliebene Welt wie Galdäa zu einem solchen Gebäude gekommen sein? Michael mochte solche Rätsel nicht, sie kribbelten auf seiner Kopfhaut und juckten an unzugänglichen Stellen.
Er dachte daran, dass die Galdani nicht die geringsten Anstalten gemacht hatte, ihm zur Begrüßung oder zum Abschied die Hand zu geben. Vielleicht war so etwas auf Galdäa nicht üblich. Vielleicht ekelte Tara sich vor jenem Volk, das ihre Heimatwelt so im Vorübergehen besiegt hatte.
5.
Jana Hakon • Veruca Salt
Typisch Markus Hataka, dachte Jana. Sie hatte den Namen schließlich identifiziert, den Markus ihr und ihrem Konto gegeben hatte. Natürlich hatte es mit Musik zu tun. Veruca Salt war der Name einer Band; passenderweise einer mit gleich zwei gitarrespielenden Frontfrauen. Sinn für Humor nennt man das wohl, dachte sie, und sie beschloss, Grübeleien über Humor und Heiterkeit so lange zu verbannen, bis sie außer Gefahr war.
Ihre Umgebung war nicht dazu angetan, tiefschürfenden Grübeleien über lustige Dinge Vorschub zu leisten. Mit Hilfe eines ebenso raschen wie unverfrorenen Diebstahls in einem überfüllten Straßencafé war Jana zu Geld gekommen, und bis auf klägliche Reste hatte sie alles davon verbraucht. Viermal war sie umgestiegen, von einer Tunnelbahn in eine andere, und es war ihr nur logisch vorgekommen, dass die Tunnel ebenso wie die Transportmittel immer schäbiger geworden waren. Sie hatte Hatakas Rat befolgt und sich in eine der unbedeutenderen Kuppelstädte abgesetzt. Sie war zwar in der Hauptlinie der nummerierten Städte, deren bekannteste und berüchtigtste die Nummer 13 war, aber hier war sie in Nummer 42. Und Nummer 42 war wirklich das Letzte.
Hier wäre selbst der phantasievollste Fremde niemals auf die Idee gekommen, sich auf der Oberfläche der Universitätswelt zu befinden. Hier feierten alle Argumente gegen Kuppelstädte ein Stelldichein, die die Kritiker dieser Idee je vorgebracht hatten. Vom grindigen Material der Kuppel troff Kondenswasser herab. Im Boden klafften hier und da Risse, die mit wenig Begeisterung geflickt worden waren. Die selbsttragend gemeinte Konstruktion der Kuppel musste seit langer Zeit von hässlichen Stützen gehalten werden. Es war längst heller Tag; aber durch die vom Dreck der Jahrzehnte blinde Kuppel drang kaum Licht herein. Die zahlreichen Flicken und Reparaturstellen von Nummer 42 machten aus dem grellen Licht der Sonne eine Art matte Imitation von Sternenhimmel.
Die Kuppel wölbte sich über einer Szenerie wie aus der Sonntagsrede eines notorischen Ökoschwätzers. Die konstruierte Umwelt war längst zusammengebrochen. Wo Grünanlagen und Palmen das Auge erfreuen und Sauerstoff produzieren sollten, blähten sich die missfarbenen Hügel entarteter Algen. Aus dem blasenschlagenden Matsch ragten stumm und anklagend die Stämme der Bäume, die den Kampf gegen eine unnatürliche Umgebung längst aufgegeben hatten.
Es war typisch, dass die Menschen unmögliche Bauwerke bewohnten, die nur mit immensem Aufwand in Betrieb zu halten waren. Es erinnerte sie an die Schöpfer: große Werke, ohne Gnade zum Scheitern verurteilt. Es erinnerte sie an kluge Traktate irdischer Wissenschaftler, die glasklar bewiesen, dass es unmöglich war, so etwas wie den Schwarzen Turm zu bauen, und dass er kaum einen Tag lang überdauern könne. Irgendwelche statischen Gesetze, die Schwerkraft und ähnlich bedeutungslose Dinge. Nebensächliche Wissenschaften. Schließlich stand der Schwarze Turm, seitdem sich Galdäer erinnern konnten.
Jana schaute sich um. Dieses Ding hier war weit entfernt von der finsteren Glorie des Turms; und es hatte seine beste Zeit hinter sich. Oder, was sie für viel wahrscheinlicher hielt, Nummer 42 hatte nie eine beste Zeit gehabt und war wirtschaftlich längst nicht mehr in der Lage, sich wirksame und dringend nötige Wartungsarbeiten zu leisten. Jana hatte keine Ahnung, wann und warum sie diese Artikel über die Kuppeln gelesen hatte. Aus irgendeinem Grund hatte sie damals beschlossen, die
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