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Galdäa. Der ungeschlagene Krieg (German Edition)

Galdäa. Der ungeschlagene Krieg (German Edition)

Titel: Galdäa. Der ungeschlagene Krieg (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karsten Kruschel
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gewichen, und allmählich beruhigte sich sein Herzschlag wieder. Er ging so langsam, dass er die pseudo-alten Inschriften lesen konnte, die in den Boden eingelassen waren.
    Dann stand Michael abermals vor jener Tür mit der nachempfundenen Maserung. Er sah auf seine Uhr und legte die Hand auf diesen Wirbel im Marmor. Er musste ein wenig warten, ehe die Stimme von irgendwo ihn fragte, was er wolle. Er wollte zum Vierten Stellvertreter oder zu jemand anderem aus dem Prorektorat, und nach einigen Sekunden tat sich die Tür auf in den bekannten, viel zu riesigen Raum mit seiner sparsamen Möblierung.
    Der kleine vertrocknete Mann saß am Pult des Terminals und sah mit blassen Augen das Durcheinander im Netz an. Über die Bildwand huschten die seit Tagen sattsam bekannten Fehlermeldungen. Datenleitungen waren überlastet, die Speicher dauernd voll. Die Automatik hatte bei den entsprechenden Stellen um Hilfe gebeten und bis jetzt keine Antwort erhalten.
    »Mein Name ist Michael Sanderstorm«, sagte Michael, die Rückenschmerzen verwünschend, »Gruppe siebzehn.«
    Ohne den Studenten anzusehen, gab der Alte die Angaben ein und betrachtete seine Bildwand. Dort tat sich nicht viel Neues; erst nach einigen Sekunden fand die neue Information ihren Weg zwischen all dem irrlichternden Zeug, und in Zeitlupe bequemten sich die Daten von Michael Sanderstorm ins Blickfeld. Der Vierte Stellvertreter wartete, bis seine Anzeige sich gemächlich mit Buchstaben gefüllt hatte, und nickte langsam.
    »Hast dein Thema«, sagte er. »Gefällt dir wohl nicht. Würde mir auch nicht gefallen. Ist aber bisschen spät, um ...«
    »Das Thema ist gut, sehr gut sogar. Die Sache ist die: Ich komme mit den vorhandenen Materialien nicht aus. Ich benötige mehr Fakten.«
    »Reicht nicht? Hab ich vergessen, diese Mappe zu ...«
    »Die Mappe habe ich bekommen, und den Koffer. Das ist nicht genug.«
    Der Vierte Stellvertreter löste seine Augen von der Bildwand und heftete seinen wässrigen Blick auf Michael; der hatte das Gefühl, der alte Herr blicke nicht ihn an, sondern einen verwaschenen Punkt auf der Wand hinter ihm.
    »Koffer? Wieso denn Koffer?«
    »Im Lauf der Arbeit haben sich zahlreiche neue Aspekte ergeben, die von hier aus nicht zu klären sind.«
    »Aspekte, so ... Siehst übrigens schlecht aus, krank, möchte man meinen ...«
    Michael fühlte sich mau; der Streit mit Nikki gestern Abend hatte nicht zu seinem Wohlbefinden beigetragen. Er hatte angenommen, dass sie begreifen könnte, was ihn an das Thema fesselte; das war ein Irrtum gewesen. Und wenn er ehrlich zu sich selbst war, verstand er ja auch nicht ganz, warum es plötzlich wichtig geworden war, Licht in eine so alte und so bedeutungslose Angelegenheit zu bringen. Sein Körper nahm ihm den Stress immer noch übel, die Wunden schmerzten höllisch. Die Medizin konnte einen heutzutage völlig schmerzfrei heilen, indem sie den beschädigten Leib in einen Tank legte und das Bewusstsein des Patienten für Wochen oder Monate ausknipste. Dazu war Michael nicht bereit.
    »Deswegen brauche ich eine Reise ins Untersuchungsgebiet«, erklärte er dem Vierten Stellvertreter, »eben wegen der zahlreichen neuen Aspekte muss ich weitere Nachforschungen anstellen – vorerst auf Atibon Legba.«
    »Verstehe ich nicht, hier war nie ein Koffer ...« Der Bürokrat blickte suchend um sich. Vielleicht geisterten im Bewusstsein des alten Mannes alle Gegenstände herum, die jemals in dieses Zimmer gelangt und längst hinausgetragen worden waren. Im Lauf der Jahrzehnte kam da bestimmt einiges zusammen.
    »Atibon Legba«, erinnerte Michael.
    »Ja, Atibon Legba – schon bessere Gegenden gesehen. Wie war das mit dem Koffer?«
    »Gar nicht.«
    »Bitte?«
    Der Blick des vertrockneten Alten war unablässig zwischen der Bildwand und Michaels Gesicht hin und her gewandert. Jetzt beobachtete er, wie der Student seine Gesichtsfarbe von blass zu kalkweiß wechselte und wankte.
    »Ob ich mich hier hersetzen kann, bitte? Mir ist nicht ganz, ich meine, es ging mir in letzter Zeit nicht besonders ...«
    Michael ließ sich auf einen Stuhl fallen. Ein böse zerrender Stoß ging durch das Gitterwerk verheilender Narben auf seinem Rücken. Der Stuhl war geflochtene Handarbeit aus Bahia de Janeiro, ganz aus Rohr und Bast und anderen Naturprodukten. Das Ding ächzte, als wollte es auseinanderbrechen.
    »Hm, natürlich, also Atibon, ja, und wohin da, genauer?«, fragte der Vierte Stellvertreter. Dass sein Gegenüber jetzt kläglich

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