Galeeren in der Ostsee
das alles erzählt haben. Es ist Ihnen sicher nicht leichtgefallen.«
Bolitho lächelte. »Überraschenderweise war es leichter, als ich dachte. Wahrscheinlich mußte ich es einmal loswerden, mit jemandem teilen.«
Sie schaute auf ihre Hände nieder. Dabei fiel ihr langes Haar ganz langsam auf ihre Schultern, wie in einem Traum.
Sie fragte sehr ruhig: »Werden Sie es ihm nun erzählen?«
»Ja. Ich muß es tun. Obgleich…«
»Sie glauben, daß Sie seine Zuneigung verlieren?«
»Es mag sein, daß er mich für selbstsüchtig hält. Aber damals wäre es gefährlich gewesen. Wenn man Hugh erkannt hätte, wäre er gehängt worden. Aber erst wenn ich es Adam gesagt habe, werde ich wissen, warum ich das Geheimnis wirklich wahrte.«
Es klopfte leise, und ein Dienstmädchen trat mit einem Tablett ein.
»Ihr Tee, Ma’am.« Sie warf einen schnellen Blick auf Bolitho und knickste. »Du meine Güte, Sir! Sie sah ihn genauer an. »Sind Sie nicht Kapitän Bolitho?«
Bolitho stand auf. »So ist es. Was kann ich für Sie tun?«
»Sie werden sich nicht erinnern, natürlich nicht, Sir.« Ihre Augen flehten. »Ich bin Mrs. Huxley.«
Bolitho wußte, daß es wichtig war, konnte sich aber nicht erinnern, warum. Dann, als ob ein Vorhang weggezogen würde, sah er wieder das Gesicht eines Mannes: bewegunglos, wie auf einem Gemälde.
Ganz ruhig sagte er: »Natürlich erinnere ich mich: Ihr Mann war Quartermaster auf meinem Schiff, der
Hyperion
.«
Sie schlug die verarbeiteten Hände zusammen und sah ihn mehrere Sekunden lang an.
»Aye, Sir. Tom sprach oft von Ihnen. Sie haben mir nachher Geld geschickt. Das war sehr gütig von Ihnen. Da ich nicht schreiben kann, wußte ich nicht, wie ich Ihnen danken sollte. Sie sehen noch ganz genauso aus wie damals, als Sie die
Hyperion
nach Plymouth zurückbrachten.«
Bolitho ergriff ihre Hände. »Er war ein tapferer Mann. Wir haben damals eine Menge guter Seeleute verloren. Kommen Sie zurecht hier in Portsmouth?«
»Aye, Sir.« Sie schaute mit verschleiertem Blick ins Feuer. »Ich habe es in Plymouth nicht mehr ausgehalten. Immer schaute ich auf die See und wartete auf Tom, obwohl ich wußte, daß er tot war.« Sie raffte sich zum Gehen auf. »Ich mußte Sie einfach ansprechen, Sir, denn ich habe nie vergessen, was Tom über Sie erzählte. Durch diese Begegnung ist er mir jetzt wieder nahe.«
Bolitho blickte ihr noch nach, nachdem die Tür sich hinter ihr geschlossen hatte.
»Arme Frau.« Er sagte es mit Bitterkeit in der Stimme und wandte sich wieder zum Kamin. »Wie all die anderen, die allein zurückblieben.« Er brach ab, als er Belindas Gesicht im Feuerschein sah. Tränen rannen ihr die Wangen hinunter. Aber sie lächelte ihm zu und sagte mit Wärme: »Als ich hier saß und auf Sie wartete, überlegte ich, wie Sie wohl wirklich sind. Allday hat zwar eine Menge erzählt, aber ich glaube, diese Seemannsfrau hat mir mehr verraten.«
Bolitho ging hinüber zu ihrem Sessel und sah auf sie herab.
»Ich begehre Sie sehr. Wenn ich meine innersten Gedanken ausspräche, würde ich Sie sicher erschrecken. Wenn ich dagegen stumm bliebe, könnten Sie ahnungslos weggehen.« Er richtete sich straff auf, wie um seine nächsten Worte zu mäßigen. »Ich spreche nicht so zu Ihnen, weil Sie in Not sind, sondern weil ich Sie brauche, Belinda. Auch wenn Sie mich nicht lieben können: meine Liebe ist stark genug für uns beide.« Er fiel auf ein Knie nieder. »Bitte…«
Sie fuhr erschreckt auf. »Ihre Wunde! Was machen Sie da?« Er strich ihr mit einer Hand übers Gesicht und spürte ihre Tränen.
»Die kann warten. Im Augenblick fühle ich mich verletzbarer als auf meinem Achterdeck.«
Er sah, wie sie die Augen hob und ihre bisherige Abwehr fiel, als ob sie sich vor ihm entblöße.
Leise sagte sie: »Ich kann Sie lieben.« Dann legte sie den Kopf an seine Schulter und verbarg ihr Gesicht. »Es gibt einfach keine Rivalen, keine bösen Erinnerungen mehr.« Sie nahm seine Hand und öffnete sie in ihrer. »Ich bin nicht haltlos, aber meine Empfindungen beunruhigen mich selber.« Damit preßte sie seine Hand auf ihre Brust und hielt sie dort fest, während sie langsam den Blick zu ihm hob.
»Spürst du es klopfen? Das ist meine Antwort.«
Unten im Gastzimmer saß Browne mit einem Glas Portwein vor sich auf dem Tisch und einem Packen Schriftstücke neben sich. Es wurde langsam dunkel. Angestellte entzündeten Kerzen oder trafen Vorbereitungen für die abendlichen Besucher, die mit dem Postwagen aus
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