Galgenfrist für einen Mörder: Roman
kennengelernt hatte. Er begann mit Smiler Hobbs, einem mürrischen Mann aus dem Norden Englands, dessen missmutige Miene ihm seinen Spitznamen eingebracht hatte: Lächler.
»Hinter was sind Sie jetzt her?«, fragte Smiler, als Monk in seinen Pfandverleih spazierte und die Tür hinter sich schloss. »Mir is’ nix gestohlen worden, also stehen Sie jetzt nich’ so da wie das Jüngste Gericht. Sie vertreiben mir noch meine Kunden. Sie sind ja noch schlimmer wie ein Misthaufen gleich neben dem Laden!«
»Auch Ihnen einen guten Morgen, Smiler«, begrüßte ihn Monk und bahnte sich seinen Weg zwischen Bergen von Geschirr, Musikinstrumenten, Plätteisen und allen möglichen Porzellantassen und -tellern hindurch. »Ich verlasse Sie wieder, sobald ich gehört habe, was ich wissen will.«
»Dann werden Sie lange warten müssen, weil ich nix Geklautes im Laden habe und auch sonst nix weiß.« Smiler funkelte ihn böse an.
»Natürlich nicht. Und was Sie nicht haben, ist mir auch völlig egal«, erklärte Monk.
Smiler blickte ihn überrascht an, dann verengten sich seine Augen.
Monk blieb stehen und schaute sich um. »Aber ich könnte immer noch ein Interesse daran entwickeln. Hübscher Sextant, den Sie da haben. Schade nur, dass er jetzt nicht auf hoher See seinen Dienst tut.«
Smilers Miene wurde noch trostloser, als stünde sein Untergang unmittelbar bevor.
»Als Mr. Durban zu beweisen versuchte, dass Jericho Phillips schuld war am Tod des Jungen, hat er da auch mit Ihnen darüber gesprochen?«, begann Monk.
»Schuld am Tod von welchem Jungen?«, knurrte Smiler.
Monk wollte schon Figs Namen blaffen, als er eine erfolgversprechendere Möglichkeit witterte. »Reilly«, antwortete er. »Oder irgendeiner von den anderen.«
»Er hat jeden gefragt. Wie gesagt, ich weiß nix, egal worüber. Ich kaufe Sachen, die die Leute hergeben müssen, und verkaufe Sachen, die sie kaufen müssen. Dienst an der Öffentlichkeit nennt man das.«
»Ich weiß, was Sie tun. Ich muss Informationen kaufen.«
»Verkaufen, hab ich gesagt! Verschenken tu ich nix!«
»Ich auch nicht. Zumindest nicht oft. Sie verraten mir, was ich wissen will, und ich bezahle Sie, indem ich darauf verzichte, zurückzukommen und weitere Fragen zu stellen.«
Smiler zog die Mundwinkel noch weiter nach unten, bis sein Gesicht eine einzige Maske der Tragödie war. »Kein bisschen besser als Durban! Die Kleinen pickt ihr euch heraus, damit ihr auf ihnen rumhacken könnt, und in der Zeit schwirren Kerle wie Phillips, Pearly Boy und Fat Man durch die Gegend und schlitzen den Leuten die Kehle auf, wie wenn sie Ratten wären. Und was macht ihr gegen die? Einen Dreck! Einen verdammten Dreck!«
»Fat Man ist tot«, hielt ihm Monk entgegen.
»Ja? Vielleicht.« Smiler blieb skeptisch.
»Ganz sicher«, konterte Monk. »Ich habe ihn versinken sehen. Und ich muss es wissen, weil er nicht mehr hochkam. Ich war dabei.«
Smiler stieß einen langen Seufzer aus. »Dann haben Sie wenigstens ein Mal im Leben was Nützliches getan. Aber bei Phillips haben Sie gepfuscht, wie’s schlimmer nich’ mehr geht. Wahrscheinlich hat Ihnen einer im Nacken gesessen. Bei Durban war’s ja nich’ anders. Den Teufel kann man eben nich’ besiegen. Das werden Sie auch noch kapieren, wenn Sie’s erleben.« Er seufzte erneut. »Was ich bezweifle.«
Monk schluckte. »Wer saß Durban im Nacken?«
»Woher soll ich das wissen?«, murmelte Smiler betrübt. »Hafenmeister, Magistraten, Männer mit Geld in den Taschen und dem Kopf in der Politik. Und sogar Richter. Hacken Sie dem Pack einen Arm ab, und bevor Sie schauen, ist er schon wieder nachgewachsen. Sie können nich’ gewinnen. Am Ende werden Sie irgendwo als Leiche gefunden. Wie Durban. Und keiner wird sich darum kümmern. Sie werden sagen, dass Sie dumm waren, und sie werden recht haben.«
»Aber zumindest werden sie nicht sagen, dass ich es nicht versucht habe!«
Smiler zog die Mundwinkel nach unten. »Und was werden Sie davon haben – im Grab?«
»Ich werde Phillips hängen sehen, das verspreche ich Ihnen!«, rief Monk hitzig. Er spürte, wie die Wut in ihm hochkochte, und sah wieder Phillips’ höhnisches Feixen bei der Urteilsverkündigung.
»Schlitzen Sie ihm am besten gleich die Kehle auf, wenn Sie ihn erwischen«, riet ihm Smiler. »Auf anständige Weise werden Sie ihn nämlich genauso wenig wie Durban kriegen. Der war erst hinter ihm her wie’ne wilde Ratte, aber dann ist er auf einmal zurückgewichen, wie wenn er selber
Weitere Kostenlose Bücher