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Galgenfrist für einen Mörder: Roman

Galgenfrist für einen Mörder: Roman

Titel: Galgenfrist für einen Mörder: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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im Einzelnen an diesem Zimmer verändert worden ist«, sagte er, an sie gerichtet, »aber jetzt ist es so viel angenehmer, hier zu essen. Es gefällt mir.«
    Sie hob hastig den Kopf und blickte ihn fragend an. »Wirklich? Das freut mich. Aber es war nichts Besonderes.«
    »Manchmal sind es die kleinen Dinge, die den Unterschied zwischen Schönheit und Gewöhnlichem ausmachen.«
    »Oder zwischen Gut und Böse? Im Kleinen fängt es an.«
    Das Gespräch nahm eine Richtung, auf die er sich nicht einlassen wollte, denn sie war einem Thema viel zu nahe, über das er nicht offen sprechen konnte, ohne sich unbehaglich zu fühlen, und das außerdem fremde Gebiete berührte, in die er sich lieber nicht weiter hinauswagte.
    »Das ist etwas zu philosophisch.« Er senkte den Blick auf den Teller. »Ein bisschen schwer für den Gang mit dem Fisch.« Er lächelte verhalten.
    »Würdest du lieber beim Fleisch darüber diskutieren?«, fragte sie mit fester Stimme.
    Ihm schoss in den Sinn, dass Hester ihm gesagt hätte, er solle nicht so salbungsvoll daherreden, und dann trotzdem mit dem Thema vorgeprescht wäre. Das war einer der Gründe, warum er damit gezögert hatte, um ihre Hand anzuhalten, und warum es sich mit Margaret so viel behaglicher lebte.
    »Ich bin mir nicht sicher, ob ich genügend über die Ursprünge von Gut oder Böse weiß, um sie zu erörtern«, gestand er freimütig. »Aber wenn du darüber reden möchtest, dann könnte ich es vielleicht mal versuchen.« Das war natürlich ein Versuch, es ihr auszureden und ihr zu verstehen zu geben, dass er keine Lust dazu hatte, ohne ihr eine direkte Abfuhr zu erteilen. Aber sie würde sich fügen; er war lange genug mit ihr verheiratet, um das zu wissen. Ihre Mutter hatte sie gelehrt, wie sie sich die Achtung ihres Mannes bewahren solle, und genau so benahm sie sich auch.
    Hester hätte ihm eine Antwort gegeben, die ihn schmerzhaft getroffen und gegen sie aufgebracht hätte … und die ihn die Kraft des Lebens hätte spüren lassen. Vielleicht mochte sie nicht immer die Dame sein, die Mrs. Ballingers Ideal entsprach. Und ganz gewiss hätte sie sich nicht nahtlos in sein Leben gefügt, wie Margaret das tat, die ihn unterstützte, an ihn glaubte, ihn nie in Verlegenheit brachte. Bei Hester hätte er immer in der Sorge gelebt, was sie als Nächstes sagen oder tun könnte, welcher Fälle sie sich annehmen oder wen sie beleidigen würde, wenn er so blind, grausam oder dumm war, genau das herauszufordern. Doch … Er ließ es dabei bewenden. Dieser Gedanke durfte nicht weitergeführt werden. Nicht jetzt. Nie.
    Er zwang sich, Margaret anzuschauen. Sie hielt den Kopf gesenkt, bemerkte aber seine Bewegung und blickte zu ihm auf.
    »Für heute habe ich Gut und Böse genug verglichen, meine Liebe«, sagte er leise. »Ich sehe zu vieles von beidem. Es wäre mir viel lieber, ich könnte mit dir über etwas Angenehmeres sprechen oder zumindest über etwas, wo es nicht von Fallstricken, Misserfolgen und Fehlern wimmelt, die wir zu spät erkennen, um helfen zu können.«
    Ihre Miene drückte Betroffenheit aus. »Das tut mir leid. Ich möchte ja auch viel lieber über Angenehmeres plaudern. Ich habe den ganzen Tag damit verbracht, zu versuchen, Geld für die Klinik zu sammeln, größtenteils bei Leuten, die mehr haben, als sie brauchen, und trotzdem verzweifelt auf noch mehr aus sind. So viele Frauen, die sich nach dem neuesten Stand der Mode kleiden, ziehen diese Sachen nicht deshalb an, um ihrem Mann zu gefallen, sondern um die Frauen, vor denen sie Angst haben, auszustechen.«
    Auch wenn er es nicht gewollt hatte, lächelte Rathbone. Einige der Knoten in ihm lockerten sich. Sie waren jetzt auf sicherem Terrain. »Ich frage mich, ob sie ahnen, dass du sie so aufmerksam beobachtest«, sagte er schmunzelnd.
    Sie blickte ihn bestürzt, wenn auch nicht ohne ein Aufblitzen von Schalk, an. »Gott bewahre, hoffentlich nicht! Sie ergreifen ohnehin die Flucht, sobald sie mich sehen, weil sie genau wissen, dass ich sie um Geld bitte, falls ich an sie herankomme – und zwar in Momenten, da sie Schwierigkeiten haben werden, mich zurückzuweisen.«
    Seine Augen weiteten sich. »Mir war nicht klar, dass du so gnadenlos bist.«
    »Das solltest du eigentlich nie erfahren«, entgegnete sie augenzwinkernd.
    Ein Anflug von aufrichtiger Bewunderung ergriff ihn und brachte eine Heiterkeit mit sich, an die er sich klammerte. »Ich werde es sogleich vergessen. Lass uns über andere Dinge sprechen. Es gibt doch

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